Dieter Hallervorden im Porträt:Palim-Palim mit Tiefgang

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Dieter Hallervorden will mit 73 noch einmal alles wagen - und investiert sein erspieltes Vermögen in das Berliner Schlosspark-Theater.

Christian Mayer

Der Mann, der früher Didi war, war auf Witze spezialisiert. Er hat sein Geld verdient als Tollpatsch und Tor. Er hat die halbe Nation zum Lachen gebracht, damals in den siebziger Jahren, als "Nonstop Nonsens" der Gradmesser war für die Humorfähigkeit der Deutschen, und Didi machen konnte, was er wollte, die Leute fanden ihn immer komisch, selbst wenn er als Kellnerin mit weißem Häubchen auftrat. Es gibt Menschen, die plapperten noch jahrelang Didi-Dialoge nach; sie bestellten "eine Flasche Pommes", lachten über den Sketch mit der "Kuh Elsa" und riefen "Palim-Palim!" in die Runde. Das war lustig gemeint, erreichte aber nie die Komik des Erfinders.

Der Mann, der schon lange nicht mehr Didi sein will, macht jetzt ernst: Dieter Hallervorden will eine Million Euro aus Eigenmitteln in das Theater stecken. (Foto: Foto: ddp)

Der Mann, der schon lange nicht mehr Didi sein will, macht jetzt ernst. Hallervorden will noch mal von vorne anfangen. Mit einem eigenen, ambitionierten Theater. Und einem Publikum, das vor allem wegen ihm kommen soll, schließlich ist er ja in Berlin eine Marke. Eine Bühne hat er schon, seit fast fünf Jahrzehnten führt er das Kabarett "Die Wühlmäuse" in Charlottenburg - aber es reicht ihm offensichtlich noch nicht, sein Stammpublikum zu bedienen. Anfang September eröffnet sein Schlosspark-Theater in Steglitz, ein Haus mit 450 Plätzen im Südwesten Berlins. Er musste es erst einmal aufwendig sanieren, so marode und heruntergekommen war es.

Dieter Hallervorden sitzt sichtlich vergnügt im Café des Kabaretts Wühlmäuse, er trägt ein gelbes Hemd zu einer Kürbis-Krawatte, und wenn es aus ihm heraussprudelt, wirkt er sehr jung für seine 73 Jahre. Die skeptischen Fragen hat er oft gehört, auch bei den Verhandlungen mit dem regierenden Bürgermeister. Zwölf Bewerber waren im Rennen, drei davon in der Endrunde, aber Hallervorden überzeugte, weil er nicht gleich finanzielle Forderungen erhob, sondern eine Vision hatte. "Wissen Sie, ich komme ja vom Theater. Ich möchte zurück zu meinen Wurzeln. Und wenn ich in zehn Jahren Schlosspark-Theater mal keine Miesen mache, habe ich mein Ziel erreicht."

Zurück zu den Wurzeln

Warum tut er sich das an, ausgerechnet jetzt, in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit langem? In einer Stadt, in der sich Dutzende private Theater argwöhnisch belauern, einen Spielbetrieb ohne öffentliche Subventionen zu starten? Eine Million Euro aus Eigenmitteln will er selbst in das Theater stecken, aber wahrscheinlich muss er noch viel Geld in die Hand nehmen, bis der Laden läuft. Ist das nicht Wahnsinn?

Er nickt nachdenklich, dann schüttelt er den Kopf. "Ich habe mich jetzt schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt, deshalb muss es klappen." Hallervorden, der schon immer als Perfektionist galt, plant gleich in der ersten Saison zwei Uraufführungen, zwei deutsche Erstaufführungen und eine Reihe von Eigenproduktionen. Die Eröffnungsgala am 1.September moderieren Alfred Biolek und Klaus Wowereit. Die Gäste sollen an die glorreichen Zeiten des Schlossparktheaters erinnern, als Klaus Kinski und Hildegard Knef zum Ensemble zählten.

Einen Tag später beginnt der Spielbetrieb mit der französischen Komödie "Die Socken Opus 124" - mit Hallervorden in einer der beiden Hauptrollen. Eine One-Man-Show will er aber nicht sein, für sein Repertoiretheater hat der Direktor prominente Schauspieler verpflichtet: Katharina Thalbach, Hannelore Hoger, Michael Degen, Brigitte Grothum, Cosma Shiva Hagen. Auch Ingrid van Bergen, die zuletzt im Dschungelcamp jüngere C-Promis an die Wand spielte, ist mit einem eigenen Stück fest eingeplant. Nicht nur für diese Personalentscheidung ist Hallervorden heftig angegriffen worden. Der Intendant steht zu seiner Entscheidung: "Ingrid van Bergen ist eine gute Künstlerin - und sie hat einen wunderbaren schwarzen Humor."

"Danke, das genügt!"

Vielleicht ist es ein Vorteil, dass er selbst ein paar schwarze Tage und persönliche Dramen hinter sich hat. Schon das Vorspiel zu seiner Karriere war ein Desaster. Der Sohn eines Ingenieurs aus Dessau wollte unbedingt Schauspieler werden, und so ging er voller Hoffnung zur Aufnahmeprüfung an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin. Hallervorden erzählt die Geschichte seines Scheiterns heute noch mit wohligem Schaudern - wie er damals aus tiefer Seele den Eingangsmonolog aus Kleists "Amphytrion" sprach und nach sieben Sätzen von der Schulleiterin abgewürgt wurde: "Danke, das genügt!" Aber der junge Mann mit dem anhaltinischen Dialekt gab nicht auf, er schlug sich auf einer privaten Schauspielschule durch, studierte Romanistik und drängte auf die Bühne. Schon damals hatte Hallervorden ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Als sein Name auf den Berliner Theaterplakaten auftauchte, konnte er an keiner Litfasssäule vorbeigehen, ohne sich selbst ein wenig bedeutender zu machen - mit dem Farbstift vergrößerte er die Buchstaben.

Der Lebensweg des Dieter Hallervorden ist eng verbunden mit dem politischen Kabarett "Die Wühlmäuse", das er anfangs mehrmals vor dem Ruin bewahrte. Der Durchbruch kam dann aber mit der Sendung "Nonstop Nonsens" in der ARD, die auch aus einem Kabarettabend heraus entstand. "Wir haben einfach mal einen Abend rumgeblödelt - dass daraus ein Riesending werden würde, hätte ich nie gedacht." Hallervorden, der vorher im Fernsehen eher mäßigen Erfolg gehabt hatte, profitierte nun davon, dass er mit seinem Gesicht erstaunliche Dinge machen konnte.

Seine Bühne war nicht mehr ein Holzkasten, sondern das Fernsehstudio, in dem zwar ein paar überflüssige Redakteure herumsaßen, aber sonst absolute Freiheit herrschte. An manchen Abenden schauten 30 Millionen Menschen zu, wenn Didi in immer neuen Verkleidungen mit leicht überdrehter Stimme als liebenswerte Knallcharge operierte. Unvergesslich, wie er in einem zu kurzen weißen Anzug um Helga Feddersen herumtänzelte: Die Disco-Parodie "Du, die Wanne ist voll" ist ein Klassiker des Blödsinns geblieben.

"Ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist"

Noch immer erinnern sich viele an diesen Wohnzimmer-Dauergast, der im Gegensatz zu heutigen Comedians vom Schlage eines Mario Barth nur gegen sich selbst ausfällig wurde. Genau das aber war sein Problem. Die Figur, die später als "Die Nervensäge" noch eine Fortsetzung erlebte, konnte er irgendwann selbst nicht mehr ertragen. Immerhin verdiente Hallervorden jetzt erstmals gutes Geld beim Privatfernsehen, etwa mit dem Satiremagazin "Spottschau".

Außerdem hatte er bei den "Wühlmäusen" eine künstlerische Heimat, hier konnte er auch mal gegen die ihm seit seiner Kindheit verhassten Altkommunisten vom Leder ziehen. Politisch hat er sich ja immer gerne mal eingemischt und ungefragt für die FDP, manchmal aber auch für andere Parteien Anzeigen geschaltet - "war mir ein Bedürfnis, da hat mich keiner gefragt." Aber ganz erfüllend war das alles nicht. Hallervorden heiratete ein zweites Mal, er kaufte für eine Million Mark ein kleines Schloss in der Bretagne, er wurde spät noch einmal Vater.

Sein Sohn Johannes ist heute zehn Jahre, und er ist es gar nicht mehr gewöhnt, dass der Papa jetzt auf einmal so wenig Zeit hat. Weil der ständig unterwegs ist und sich durch Hunderte Texte quälen muss, um ein paar brauchbare zeitgenössische Stücke für den Spielplan zu finden. "Ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist, auch wenn meine Erben nun vielleicht von zu hohen Dankesverpflichtungen entlastet werden", sagt Hallervorden betont spaßig. Das Risiko, dass er als Theaterbetreiber um einiges ärmer werden könnte, ist ihm bewusst. Und er ist auch gehörig sauer auf den Berliner Senat, der ihn nun auf den ganzen Sanierungskosten sitzen lässt. Allein 30 Kilometer Kabel hat er verlegt, ob ihm das einer dankt? Aber es musste halt sein. "Ich hatte in der Bretagne damit begonnen, Briefmarken zu sammeln. Als Nächstes hätte ich kleine Schiffe in Weinflaschen gesteckt." Glücklicherweise kam zu rechter Zeit ein Anruf: Du, das Schlossparktheater steht leer, schau doch mal vorbei.

Den Palim-Palim-Didi sollten die Zuschauer in Steglitz besser nicht erwarten, der hat sich selbst abgeschafft. Obwohl Hallervorden schon zu "Nonstop-Nonsens"-Zeiten bewiesen hat, dass er einen Witz ausspielen kann, nicht als Solist, sondern im Team. Komisch kann er nur sein, wenn er die richtigen Akteure um sich hat. "Ich weiß", sagt Hallervorden beinahe pathetisch, "dass mein Ruf als Schauspieler auf dem Spiel steht. Und mehr habe ich nicht zu verlieren."

© SZ vom 18.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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