Biologie:Schmeicheln und Protzen

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Von der Pantoffelschnecke bis zum Goldhaubengärtner: Katharina von Gathen und Anke Kuhl zeigen die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten, wie sich Tiere fortpflanzen und ihre Jungen aufziehen.

Von Katrin Blawat

Zugegeben, das Sexleben der Pantoffelschnecken wirkt ziemlich bizarr. Die kleinen Meeresbewohner sind Zwitter. Das allein ist noch nicht weiter ungewöhnlich im Tierreich. Doch ist eine Pantoffelschnecke nicht gleichzeitig männlich und weiblich, sondern sie wechselt ihr Geschlecht mit der Zeit. Und währenddessen hockt sie eingeklemmt zwischen Artgenossen, die sich gerade paaren. Pantoffelschnecken praktizieren "Stapelsex", wie es Katharina von der Gathen und Anke Kuhl in ihrem Buch über "Das Liebesleben der Tiere" nennen. Zunächst setzt sich ein Männchen auf ein Weibchen und befruchtet es. Irgendwann kommt ein weiteres Männchen und hockt sich oben drauf. Daraufhin entwickelt sich das bisherige Männchen in der Mitte zum Weibchen. Auf diese Weise können Türme von bis zu zwölf aufeinandergestapelten Pantoffelschnecken entstehen.

Ist das normal? Ja, ist es. Genau wie das Sexleben der Pandas, bei denen die Weibchen - wenn es gut läuft - nur an zwei Tagen im Jahr Lust haben, oder die Verausgabung der australischen Breitfuß-Beutelmäuse. Die Männchen dieser Art paaren sich tagelang am Stück mit so vielen Weibchen wie möglich. Für Essen und Trinken haben sie keine Zeit. Nach einigen Tagen sterben die Männchen an Erschöpfung. Für Sexualität und Fortpflanzung gibt es kein Schema F, das zeigt sich auf jeder einzelnen der ansprechend gestalteten Seiten. Jeder Versuch einer Einteilung in "normal" und "unnatürlich" erscheint bestenfalls albern, wenn man sich den Reichtum der Sex- und Partnerwahlpraktiken im Tierreich vor Augen führt. Da gibt es Delfinmännchen, die sich gegenseitig stimulieren, und männliche Meerschweinchen, die ihre Rangordnung über das gegenseitige Besteigen klären. Auch Bonobos lösen viele Gruppenkonflikte routinemäßig mithilfe von Sex. Mauersegler paaren sich blitzschnell mitten im Flug in der Luft, während der Akt bei Nashörnern leicht eine Stunde dauert.

Die inhaltliche Vielfalt haben Katharina von der Gathen als Autorin und Anke Kuhl als Illustratorin auch auf die Gestaltung ihres Buches übertragen. Längere, aber immer gut verständliche Texte wechseln sich ab mit eher cartoonartigen Zeichnungen und doppelseitigen Postern, etwa zu den unterschiedlichen Penissen und Vaginas, die sich quer durchs Tierreich entwickelt haben.

Wie viel aufwendiger als der eigentliche Sexualakt in vielen Fällen all das vorangehende Werben, Umschmeicheln und Protzen ist, zeigt das Buch etwa am Beispiel des Goldhaubengärtners. Die Männchen dieser Vogelart versuchen die Weibchen zu beeindrucken, indem sie aus Ästen einen weihnachtsbaum-förmigen Turm auf dem Waldboden aufschichten und diesen mit glitzernden Tierhaaren schmücken. Blaufußtölpel wollen über möglichst knallblau gefärbte Füße überzeugen, unter Mützenrobben-Männchen dagegen gilt ein roter Hautballon als Qualitätsmerkmal.

Nicht weniger groß ist die Auswahl an Möglichkeiten, wie Tiere die Pflege des Nachwuchses und das Familienleben organisiert haben. Sie reichen vom schwangeren Seepferdchen-Männchen, dessen Kinder direkt nach der Geburt ohne elterliche Hilfe zurechtkommen müssen, bis hin zur Großfamilie der Erdmännchen mit ihrer effizienten Aufgabenteilung: Manche Erdmännchen stehen Wache, andere schaffen vor allem Futter heran. Doch paaren - und da wird es dann doch wieder ein bisschen bizarr - darf sich bei diesen Tieren nur das ranghöchste Weibchen. Oft bleiben seine unterlegenen Geschlechtsgenossinnen sogar unfruchtbar.

Katharina von der Gathen: Das Liebesleben der Tiere. Mit Illustrationen von Anke Kuhl. Klett Kinderbuch, Leipzig 2017. 144 Seiten, 18 Euro.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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