Bildband zu "Der Pate":Wie Coppolas "Der Pate" entstand

Bildband zu "Der Pate": Diese Rolle konnte selbst der wählerische Marlon Brando nicht ablehnen: Das Familienoberhaupt Don Vito Corleone in "Der Pate".

Diese Rolle konnte selbst der wählerische Marlon Brando nicht ablehnen: Das Familienoberhaupt Don Vito Corleone in "Der Pate".

(Foto: dpa)

Mama und die Mafia: Der Regisseur Francis Ford Coppola erzählt in einem Bildband die Entstehungsgeschichte seines Filmklassikers "Der Pate".

Von David Steinitz

An einem Sonntagnachmittag im Frühling 1969 passierten in San Francisco drei Dinge, die schließlich zu einem Stück Filmgeschichte führten. Der damals 30-jährige Regisseur Francis Ford Coppola blätterte träge in der New York Times, während im Hintergrund die Kinder spielten. Auf einer der Zeitungsseiten entdeckte er ganz unten eine kleine Anzeige, die für ein schwarzes Buch mit der Hand eines Puppenspielers auf dem Titelbild warb. Der Titel: "The Godfather".

Sieht interessant aus, dachte sich Coppola, konnte aber nicht weiter darüber nachdenken, weil es an der Tür klingelte. Zwei Produzenten des traditionsreichen Hollywood-Studios Paramount waren in der Stadt und wollten den vielversprechenden jungen Filmemacher kennenlernen, von dem sie schon so viel gehört hatten. Ob man nicht mal über ein gemeinsames Projekt sprechen könne? Bevor Coppola antworten oder ihnen einen Kaffee anbieten konnte, klingelte das Telefon. Am Apparat: "Marlon Brando hier. Spreche ich mit Herrn Coppola?" Der junge Francis hatte dem großen Star ein Drehbuch zugeschickt, die Hauptrolle in einem Thriller, Brando hatte weder Zeit noch Lust, wollte aber wenigstens persönlich absagen.

Die Angst vor dem Scheitern

Nach diesem merkwürdigen Sonntagnachmittag fügten sich die Puzzleteile schnell zusammen. Die Produzenten, die Coppola besuchten, besaßen nämlich die Filmrechte an "The Godfather" alias "Der Pate". Und diese Hauptrolle konnte auch der wählerische Marlon Brando nicht mehr ablehnen. Diese und andere Anekdoten über die Entstehung des Films erzählt der mittlerweile 77-jährige Coppola im Vorwort des Bildbandes "The Godfather Notebook", das beim New Yorker Verlag Regan Arts auf Englisch erschienen ist. Dieses Notizbuch ist Coppolas Bearbeitung von Mario Puzos Roman, und es ist wie seine Filmadaption selbst ein kleines Kunstwerk.

'The Godfather' Marlon Brando, Francis Ford Coppola  Paramount, 1972 ** I.V.

Klischeeaussprache unbedingt vermeiden: "Italians who-a, talka lika-dis". Marlon Brando (links) und Francis Ford Coppola 1972 am Set von "Der Pate".

(Foto: interTOPICS/mptv)

Der Hauptgrund für das Notebook, das laut Coppola am Set noch viel hilfreicher war als das Drehbuch, war die Angst vor dem Scheitern. "Ich hatte panische Angst, vor allem beim Schreiben, ob mir das gelingen würde." Das Notebook, das der neue Band komplett abbildet, sollte sein Masterplan, seine Blaupause für den Film werden, damit er nachts wieder ruhig schlafen konnte.

Es ist der Werkstattbericht eines Filmklassikers, der zunächst als reine Auftragsarbeit begann. Coppola wollte Ende der Sechziger ursprünglich sein Drehbuch "Der Dialog" in Angriff nehmen. Dass er "Der Pate" vorzog, lag schlicht und einfach am Geld. "Ich hatte damals schon zwei Kinder, das dritte war unterwegs", schreibt er im "Notebook"-Vorwort. "Außerdem war ich verschuldet durch meine vorhergehenden Projekte." Coppola hatte damals die Produktionsfirma "American Zoetrope" gegründet, gemeinsam mit einem anderen Jungregisseur namens George Lucas, der noch weit von seinem späteren "Star Wars"-Ruhm entfernt war. Aber der Firma ging es schlecht, und so sagte Lucas zu Coppola, als das rare Angebot kam, mit "Der Pate" die junge Firma zu sanieren: "Das musst du annehmen. Die machen uns sonst den Laden dicht und sperren uns ein."

Coppola stimmte zu und machte sich an die Arbeit, wobei sein "Godfather Notebook" nicht einfach nur der Roman mit Randnotizen ist, sondern bereits auf die Kunst des Filmschnitts, der Montage, hin angelegt ist. Coppola löste das Buch aus seinem Klebeeinband, trennte die einzelnen Seiten heraus und klebte sie mit Tesafilm auf größere Blätter. Diese wiederum stanzte er mit einem Locher ein, damit er die Seiten und seine Notizen austauschen, mit den Handlungssträngen spielen konnte. Eine Episode vom Ende des Buchs passt besser an den Anfang des Films? Schnell die Seiten ausgetauscht.

"Ich habe es geliebt, es war ein Traum"

Die wichtigste Notiz findet sich auf Seite 365 des Romans (siehe Abbildung unten), zweifach rot markiert und unterstrichen. An dieser Stelle beschreibt Sohn Michael, später von Al Pacino dargestellt, seinen Vater, den Paten. Dieser sei kein Gangster, wie die Zeitungen behaupten, sondern ein Mann, der seine Familie beschützen wolle, weil er glaubt, dass die Gesellschaft dazu nicht in der Lage ist. "Er handelt nach einer Moral, die er im Vergleich mit den legalen Strukturen der Gesellschaft als überlegen empfindet." Coppola schreibt darüber: "What this book is about", die Kernbotschaft, die seine "Paten"-Trilogie dann bis zur letzten Szene prägen würde.

Er unterteilte das Buch bei seiner Arbeit in fünf Akte, und diese wiederum in jeweils 50 Abschnitte beziehungsweise Szenen, die manchmal mit der Aufteilung des Romans übereinstimmen, oft aber auch nicht. Vor jedes seiner fünf Hauptkapitel schrieb Coppola noch eine Übersicht, die nun auch im "Notebook" abgedruckt ist. Diese enthält jeweils eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse, so simpel wie möglich formuliert, damit er sich später am Set, unter Geld- und Zeitdruck, jederzeit schnell daran erinnern konnte, worum es ihm eigentlich geht.

Er wollte sich für alle Szenen vorab notieren, was er falsch machen könnte

Aus demselben Grund notierte er sich auch stets die Zeitumstände, das Weltgeschehen in ein paar Stichwörtern dazu. Coppola bestand gegenüber dem Studio darauf, dass der Film wie der Roman kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einsetzt, im Sommer 1946, was das Unternehmen natürlich teurer machte, die Kostüme, die Kulissen. Zum Beispiel war es ihm wichtig, dass auf der großen Familienfeier, mit welcher der Film beginnt, viele junge Männer zu sehen sind, zivil und in Uniform. Ein Zeichen, dass der Krieg vorbei ist, ein paar Monate zuvor wäre es ein Fest mit Frauen und Greisen gewesen, die Männer noch an der Front.

Die wichtigste Zusammenfassung, die Coppola sich vor jeden seiner Buch-Abschnitte schrieb, sind die "Fallgruben", wie er es nannte. Er wollte sich für alle Szenen vorab notieren, was er falsch machen könnte, damit genau das bei den Dreharbeiten nicht passieren würde. Die schlimmste Fallgrube, unbedingt zu vermeiden: "Italians who-a, talka lika-dis", die üblichen Klischees über die Aussprache der Italo-Amerikaner.

Die Dreharbeiten selbst waren chaotisch, berichtet Coppola, eine harte Zeit. Aber seine Arbeit am "Notebook" zähle bis heute zu seinen schönsten Erinnerungen. "Ich nahm mein Notizbuch, meine Schreibmaschine und einen Packen Papier, fuhr ins Caffè Trieste im Stadtviertel North Beach und arbeite am Drehbuch. Für viele Wochen habe ich das jeden Tag so gemacht. Ich saß in einem lauten Café, es wurde viel Italienisch gesprochen, die hübschen Mädchen drängten sich vorbei, ich habe es geliebt, es war ein Traum."

Nachdem der Film sowohl den Romanautor Mario Puzo als auch den Regisseur Francis Ford Coppola zu Stars gemacht hatte, fragte Coppola den Schriftsteller eines Tages, welcher Mafiaboss eigentlich das reale Vorbild für den Paten Don Corleone gewesen sei. Aber der winkte ab, und erwiderte: "Kein Mafiaboss, Francis, zum Paten hat mich vor allem meine Mutter inspiriert. Die hat auch immer gesagt: ,Ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann'."

Francis Ford Coppola: The Godfather Notebook. Regan Arts, New York 2016. 784 Seiten, 51,95 Euro.

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