Ausstellung:Keks mit Krone

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"Prinzenrollen" in Regensburg zeigt, mit welchem Selbstverständnis die Wittelsbacher im 18. Jahrhundert Macht erlangten und verwalteten

Von Hermann Unterstöger

Nichts gegen die Prinzenrollen von De Beukelaer, aber wenn sie bei einer Ausstellungseröffnung aufliegen, könnte der Verdacht aufkommen, der Veranstalter habe am Catering sparen wollen. Anders, wenn die Ausstellung "Prinzenrollen 1715/16" heißt: Da drängen sie sich als Accessoire förmlich auf. Die Jahreszahl im Titel belegt, dass es nicht um die Kekse geht, sondern um eine historische Momentaufnahme, um ein Zeitfenster quasi, durch das man die Seltsamkeiten einer fernen Epoche bestaunen kann.

Unter Prinzenrollen versteht man bei dieser Lage der Dinge die Rollen, die hochgeborenen Kindern im Interesse der Dynastien sowie, mit einigem Glück, auch der von diesen Dynastien beherrschten Länder zugedacht respektive zugemutet wurden. Im Fall der Regensburger Ausstellung sind das die Söhne von Kurfürst Max II. Emanuel, näherhin der Kurprinz Karl Albrecht und dessen Bruder Clemens August. Der eine sollte das Haus Wittelsbach in eine strahlende Zukunft führen, der andere dessen Ruhm und Finanzen durch den geballten Erwerb hoher kirchlicher Pfründen mehren. Wie das ausging, weiß man aus der Geschichte. Karl Albrecht brachte es bis zum Kaiser, als welcher er Karl VII. hieß und wenig Fortune hatte. Clemens August dagegen wurde den Erwartungen gerecht. Als vielfachen Kirchenfürsten nannte man ihn "Monsieur des cinq églises", und dank dieser Fülle gelang ihm der einmalige Coup, den eigenen Bruder zum Kaiser zu krönen und zu salben.

Der dynastische Ehrgeiz des Hauses Wittelsbach stand damals auf denkbar schwachen Füßen. Max Emanuel hatte sich im Spanischen Erbfolgekrieg auf die Seite der Franzosen geschlagen. Nach harten Niederlagen musste er ins Exil; außer der Reichsacht traf ihn die Schmach, als "Natter am Busen des Reichs" beschimpft zu werden. Das hinderte den großformatig denkenden Mann nicht, sofort wieder nach Höherem zu greifen, was sich 1715/16 darin manifestierte, dass er Kurprinz Karl Albrecht auf eine Reise schickte, die nach außen den Eindruck machte, es handle sich um eine der üblichen Kavalierstouren.

Im Kern hatte die Reise aber den Zweck, den Papst - damals Clemens XI. - von zwei Dingen zu überzeugen. Zum einen sollte er aus erster Hand erfahren, dass Rom an Bayern nach wie vor einen loyalen und in Glaubensfragen kernfesten Verbündeten habe. Zum anderen sollte er daran erinnert werden, dass es der Erhaltung dieser Loyalität überaus dienlich sei, wenn er ungeachtet dessen, dass das kanonische Recht gegen solche Usancen stand, den Wittelsbachern weiterhin Privilegien erteilte, die es diesen erlaubten, möglichst viele Bischofssitze zu besetzen. Diesem Handel war es zu danken, dass Papst Clemens XI. noch während Karl Albrechts Reise die Ernennung von dessen Bruder Clemens August zum Bischof von Regensburg bekannt gab. Die Regensburger behielten den Neuen nicht lang: Als er 1719 auch in Münster und Paderborn Bischof wurde, musste er Regensburg aufgeben, dies freilich zugunsten seines jüngeren Bruders Johann Theodor.

Von der Reise Karl Albrechts haben sich vier Tagebücher erhalten, deren kritische Edition derzeit am Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte der Universität Regensburg von Andrea und Jörg Zedler betrieben wird. Daraus ist die kleine Ausstellung "Prinzenrollen" erwachsen, die auf zwei fast benachbarte Häuser verteilt wurde, das Bischöfliche Zentralarchiv und die Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek. Der dazu erschienene Begleitband versteht sich nicht als Katalog, sondern als vertiefendes und das Umfeld gescheit ausleuchtendes Vademecum. Darin findet man, um zwei Beispiele zu nennen, einen Aufsatz über Allegris legendäres "Miserere", das der Kurprinz in Rom hörte, sowie eine in ihren Details verblüffende Schilderung der Finten und Umtriebe, mit denen Bischofswahlen seinerzeit verbunden waren.

Der Papst wusste den Besuch zu schätzen und erwies dem jungen Wittelsbacher Aufmerksamkeiten von nicht alltäglicher Sorte. Wenn der Reise etwas in die Quere kam, hatte das andere Gründe, beispielsweise die Pest. Diese war als Gefahr noch so präsent, dass der Kurprinz samt Gefolge kurz vor Venedig in Quarantäne musste, ein Aufenthalt, der ihn umso mehr grämte, als der am Karneval teilnehmen wollte. Man vertrieb sich die Zeit mit Musik, Unterricht und Kartenspiel, wobei Letzteres ohne direkten Kontakt der Spieler vonstatten zu gehen hatte. Bei der Abreise entstanden gereimte "Abschidts=Gedanckhen", in denen das Quartier "Du vorhöll dises Landts!" genannt wird. Verfasser könnte Karl Albrecht selbst gewesen sein.

Prinzenrollen 1715/16, Regensburg, bis 23. Nov.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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