Anita Pallenberg:Die selbst erfundene Frau

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Anita Pallenberg, Ex-Freundin von Rolling Stone Brian Jones und spätere Freundin von Keith Richards, hier 1970 mit Sohn Marlon. (Foto: Getty Images)

Sie war die Muse nicht nur der Rolling Stones, führte ein schillerndes Privatleben und widersetzte sich jeder Kategorisierung. Anita Pallenberg wird siebzig.

Von Susan Vahabzadeh

Der Film "Performance" ist legendär. Wegen seines surrealen Krimi-Plots, wegen Nicolas Roegs rauschhafter Kameraarbeit - ganz besonders aber wegen der seltsamen Gestalten, die hier einen flüchtigen Gangster verstecken: ein exzentrischer Rockstar - Mick Jagger! - und seine beiden Geliebten. Eine der beiden, Anita Pallenberg, war jenseits der Leinwand die Lebensgefährtin des anderen Glimmer-Twins, Keith Richards. Und das war mehr als genug, um die Phantasie in Gang zu setzen.

Ein schönes bekifftes Gespenst

Eine alte Villa, indische Tücher überall, orientalisch anmutende Himmelbetten, Spontan-Sex und mittendrin Pallenberg im bodenlangen Gewand, wie sie nachts durchs Haus geistert und die Schlafenden filmt. Ein schönes bekifftes Gespenst. Und natürlich stellt man sich vor, dass dieser Film, den Nicolas Roeg und Donald Cammell 1968 drehten, eine Art Dokufiction ist - über das Rockstarleben jener Zeit.

Die Rolle als Pherber in "Performance" ist tatsächlich der wichtigste Auftritt, zu dem Anita Pallenberg es als Schauspielerin gebracht hat. Ihre zweite große Rolle, die Königin von Sogo neben Jane Fonda in Roger Vadims Comic-"Barbarella", ist eher in Vergessenheit geraten.

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Ihr Ruhm gründet auf einem schillernden Privatleben, und vor allem auf den musenhaften Einfluss, den sie auf die Rolling Stones hatte: Erst als Lebensgefährtin von Brian Jones, dann, bis Ende der Siebziger, als Partnerin von Keith Richards. Richards selbst hat das vor drei Jahren noch einmal befeuert, mit seinen Lebenserinnerungen, dem Buch "Life", durch das sie geistert bis in die Gegenwart, in einer Gestalt, die letztlich Pherber nicht ganz unähnlich ist: Eine Muse, auf der ein Fluch zu liegen scheint. Und dennoch ist sie nie kleinzukriegen, nicht von jahrelanger Drogensucht und vor allem nicht von Jones. Der war - Richards schreibt es genüsslich auf - gewalttätig. Aber bei Anita zog er immer den Kürzeren.

Dass Anita Pallenberg, am 25. Januar 1944 in Rom geboren, in dem Jungs-Club, der London damals dominierte, etwas zu sagen hatte: Das lag vor allem daran, dass sie von Dingen eine Ahnung hatte, von denen die Jungmänner noch nicht einmal gehört hatte. Bevor sie Jones bei einem Konzert in München kennengelernt hatte, arbeitete sie schon als Model, war vorher in Rom zur Schule gegangen, hatte Pasolini und Fellini kennengelernt und sich in New York an Andy Warhol drangehängt.

Stilikone des Swinging London

Sie stammte nicht nur aus einer Künstler-Familie, sie verstand auch etwas von Kunst. Und sie konnte drei Sprachen, wie Keith Richards voller Bewunderung schreibt. Pallenberg war eine Stilikone des Swinging London - und die merkwürdig androgynen Klamotten, in denen Richards herumlief, gehörten meistens ihr. Sie hat sich das zu eigen gemacht, hat sogar relativ spät im Leben, in den Neunzigern, noch mal ein ordentliches Modedesign-Studium absolviert und ein eigenes Fashion-Label gegründet.

Zwischen den Felljäckchen für Richards und der eigenen Firma liegt eine eher traurige Geschichte, von Gerichtsprozessen und Tod, von Drogen und dem Problem, nicht loskommen, nicht voneinander und nicht von der Sucht. Im großen Roman der Sechziger- und Siebzigerjahre musste es trotzdem eine Figur wie Pallenberg geben: eine Frau, die sich selbst erfindet und sich jeder Kategorisierung widersetzt.

© SZ vom 25.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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