"Anchorman 2" im Kino:Amerikanischer Wahnsinn

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Will Ferrell (links neben Christina Applegate), zum zweiten Mal als "Anchorman" in einer opulenten Comedy. (Foto: Paramount)

Die Legende kehrt zurück: Nach neun Jahren tritt Will Ferrell wieder als "Anchorman" Ron Burgundy im Kino an. Rüde, dreist, machohaft. US-Irrsinn, wie nur die amerikanische Komödie ihn reflektieren kann.

Von Fritz Göttler

Das Comeback führt erst mal direkt in die Katastrophe. Ron Burgundy, nach seinem Triumphzug durch die TV-Siebziger im ersten "Anchorman", wird zu Beginn dieses neuen, zweiten Films auf dem Höhepunkt seiner Karriere plötzlich geschasst und auf eine entwürdigende Durst- und Delphinshow-Strecke geschickt. Doch dann holt man ihn zurück in die glitzernde TV-Nachrichtenwelt. Also sammelt seine alten Kollegen und Mitstreiter wieder auf - inzwischen schreibt man das Jahr 1980 - und schon düsen die glorreichen Vier in einem Winnebago-Wohnmobil Richtung New York. Sie hocken hinten zusammen, erinnerungsselig und zukunftsträchtig, Ron steht an der kleinen Fritteuse, die er sich eingebaut hat.

Irgendwann dann die unvermeidliche Frage: Wir vier sitzen hier, wer ist denn dann am Steuer, und die coole Antwort: Das macht Cruise control. Aber, das ist der ebenso unvermeidliche Einwand, cruise control regelt doch nur die Geschwindigkeit, aber es steuert nicht. Und schon tritt das klassische Komödienprinzip in Aktion - so lange du nicht wahrnimmst, was du gerade tust, kannst du die unglaublichsten Sachen machen, mit naiver, unbewusster, traumwandlerischer Sicherheit, kannst alle möglichen Naturgesetze aushebeln ...

Aber sobald du das vermaledeite Bewusstsein einschaltest und anfängst, die Sachen zu hinterfragen, bist du rettungslos verloren - die alte Sicherheit ist dahin. Schon geraten das Wohnmobil und auch die vier Jungs darin ins Trudeln und Kippen, der viel gerühmte "Gravity"-Effekt gewissermaßen komprimiert in wenigen Zeitlupen-Sekunden. Paul Rudd kriegt eine Bowlingkugel an den Kopf, David Koechner spritzt das heiße Fett ins Gesicht, Will Ferrell als Ron Burgundy fliegt ein Skorpion in den schreiend offenen Mund.

Orgie der Inkorrektheit

Purer Slapstick, eine Katastrophe mit kathartischem Effekt. Nicht zu vergleichen mit der, mit der Ron anfangs des Films konfrontiert war, als ein böser Harrison Ford ihm und seiner Frau/Kollegin Veronica Corningstone (Christina Applegate) lustvoll erklärte, er brauche künftig nur einen von beiden als Nachrichtenstar - und Veronica, zur Anchorwoman erwählt, nicht sofort ablehnte und sich, wie Ron das selbstverständlich erwartete, mit ihm solidarisierte. Von da an ist alles gestört, die Karriere und die Ehe, das Selbstbewusstsein und die Potenz.

Der Neubeginn findet beim Sender Global National Network (GNN ) statt, der, damals unerhört, 24 Stunden Nachrichten en suite spielen will. Ron Burgundy und seine Truppe sollen allerdings die Friedhofs-Schicht dabei übernehmen, zwei Uhr morgens! Um zu dieser Zeit eine starke Quote zu erzielen, darf man vor nichts zurückschrecken, also wird durchaus mal Crack probiert vor den Kameras, und es gibt die erste Polizei-Verfolgungsjagd live im Fernsehen.

Der erste Burgundy-Film stammt von 2004, einem ausgezeichneten Comedy-Jahrgang. Judd Apatow produzierte und bereitete schon seine erste Regiearbeit vor, "Jungfrau (40), männlich, sucht", und von nun an jagte eine Orgie der Inkorrektheit die andere, nichts wurde einem erspart in Sachen Infantilität, Sexismus, Machogehabe, Rassismus, Schwulenaversion, manchmal alles ineinander verschraubt. Schwarz, entfährt es Ron, als ihm seine junge neue Chefin vorgestellt wird, schwarz . . . schwarz . . . er ist fassungslos; dann wird er aber doch ihr Liebhaber, und als er von ihr der Familie vorgestellt wird, präsentiert er sich im prächtigsten - und peinlichsten - südlichen Slang, das ist, als würde der Film ganz ungeniert auf den hochgetrimmten Oscar-Favoriten "12 Years a Slave" reagieren.

Man darf das alles nicht als Satire missverstehen, aber immerhin ist der rüde und rücksichtslose amerikanische Nationalwahnsinn so beinhart, dass er sich um seine eigene Lächerlichkeit nicht schert. Amerikanische Komödie kommt seit langem - mindestens seit dem späten Howard Hawks - gern als Naturgeschichte daher.

Pelzige Haarungetüme, Marotten und Ticks

Der Darwinismus des komischen Kinos, seine Nummern haben kompetitiven Charakter. Harte Konkurrenz: Wer macht den brutalsten Gag, wer treibt das wüste, stupide, aggressive Geschehen am weitesten. Probieren, Abwandeln, Umgestalten. Die Widerstände der Zuschauer sind einkalkuliert, das geht an den Rand der Erschöpfung. Wie Wiederholung einen Gag langsam ausleiert und dann - wenn man einfach nicht lockerlässt - alles plötzlich doch wieder komisch ist. Jerry Lewis hat das perfekt beherrscht.

Man darf bei all den Exzessen dieses Films nicht vergessen, dass Will Ferrell durchaus auch normale Typen gespielt hat, den Cop in "The Other Guys" zum Beispiel, der ruhig und zufrieden seine Schreibtischarbeit erledigt, während es den Kollegen Mark Wahlberg nach heftigster Action kribbelt. Einmal erlebt man Ferrell hier in einem Pub mit seinen irischen Kumpels und Verwandten voller Hingabe singend. Was zwischen Normalität und Psychopathischem, zwischen Gesundheit und Anarchie liegt, ist ein weites Feld.

Breite Krawatten und Krägen, pelzige Haarungetüme, Marotten und Ticks, die sich nicht abstellen lassen - die Anchorman-Filme sind üppig in ihrer Konsistenz, sie demonstrieren die fast unerträgliche Überschwänglichkeit Amerikas. Die erste Fassung des neuen Films, sagt Regisseur Adam McKay, war viereinhalb Stunden lang.

Amerikanische Comedies sind keine abgeschlossenen Filme. Sie sind die Kinder von Deleuze und Saturday Night Live, merkwürdig molekulare Gebilde. Wir könnten und werden wohl, so nochmals Adam McKay, einen weiteren Film aus dem Material machen, mit völlig neuen Gags und Szenen. Das wäre dann ein anderer Film, und doch auch irgendwie der gleiche.

Anchorman 2 - The Legend Continues, USA 2013 - Regie: Adam McKay. Buch: Will Ferrell, McKay. Kamera: Patrick Capone, Oliver Wood. Mit: Will Ferrell, Steve Carell, Paul Rudd . Paramount, 119 Min. In deutschen Kinos ab dem 30. Januar 2014.

© SZ vom 30.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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