TV: "Doctor's Diary":Rosarot und Tiefschwarz

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Der Kampf um die Liebe und das Idealgewicht wird niemals gewonnen. Die zweite Staffel "Doctor's Diary" ist mehr als Comedy: fröhlich galoppierender Irrsinn.

Hans Hoff

Es gibt Serien, die dürften eigentlich gar nicht funktionieren. Sie galoppieren fröhlich durch die Genres, übertreiben maßlos und sehen Grenzen nur als Barrieren, die es zu überspringen gilt. So etwas ist im Privatfernsehen normalerweise tödlich, denn alles, was sich nicht einem strengen Format beugt, gilt dort als undurchsetzbar. Und dann kommt eine Serie wie Doctor's Diary daher, die sich an nichts hält und trotzdem funktioniert. In der ersten Staffel fuhr die Polyphon-Produktion ordentliche Quoten ein und räumte jede Menge Fernsehpreise und Belobigungen ab.

Auch in den Bergen sind Dr. Gretchen Haase (Diana Amft) und Oberarzt Marc Meier (Florian David Fitz) nicht sicher vor ihren Gefühlen. (Foto: Foto: RTL)

Nun geht es weiter bei RTL, und schon der 90-minütige Pilotfilm zur zweiten Staffel zeigt, dass hier Menschen am Werk waren, die genau wissen, warum sie etwas anders als andere machen, und das fertige Werk ist ein schöner Beleg dafür, dass es sich lohnen kann, wenn man Konventionen Konventionen sein lässt.

Wieder geht es um die dickliche Krankenhausmedizinerin Gretchen Haase, die natürlich ihren Oberarzt liebt, der aber als arroganter Hund, der er nun mal ist, nur inoffiziell Notiz von ihr nehmen mag und sie gerne "Hasenzahn" nennt. Dafür wird Dr. Haase aber angehimmelt vom Haus-Gynäkologen, der aber nicht so kann, wie er will, weil er daheim noch eine behinderte Frau zu versorgen hat. In diesem Spannungsfeld geht es um Hasenzahns verzweifelte Suche nach dem Glück oder wenigstens dem Idealgewicht. Dass beide Ziele für sie unerreichbar bleiben, verleiht der Serie genau die Dramatik, die für einen Achtteiler reichen sollte.

Natürlich sind es, wie schon bei der ersten Staffel, die Bücher von Bora Dagtekin (Türkisch für Anfänger), die Doctor's Diary zum Vergnügen machen. Dagtekin weiß, wie man mit Wortwitz jongliert und wie man Situationen so anlegt, dass sie beinahe zwangsläufig in ein unterhaltsames Chaos ausufern. Offiziell wird die Serie bei RTL als Comedy geführt, aber sie ist viel mehr als das. Sie ist vielmehr ein schönes Beispiel dafür, wohin man gerät, wenn man sich nur traut.

"Schrei ein paar Bäume an"

Es geht nämlich nicht nur lustig zu, es drängen auch verstörende Szenen ins Gesamtbild. Da ist eine Frau, die Krebs hat und es ihren Eltern nicht sagt. Da sind Menschen, die ein Doppelleben führen, was blutig endet und eigentlich wie der Auftakt zu einem Krimi daherkommt. Zwischen Fehldiagnosen, Erpressung und purem Zynismus pendelt die exzellente Schauspielerschar um Diana Amft (Dr. Haase), Florian David Fitz (Oberarzt) und Kai Schumann (Gynäkologe).

Zwischendurch gibt es dann aber auch den obligatorisch kräftigen Druck auf die Gefühlstube. Keine Emotion wird hier gering geschätzt. Alles wird hemmungslos aufgeblasen und im Sinne eines fröhlich galoppierenden Irrsinns genutzt, und sei es nur für einen Spruch, der sitzt. "Du gehst vielleicht mal um den Block und schreist ein paar Bäume an", rüffelt Dr. Haase ihren Oberarzt, als der im Umgang mit den Patienten so gar keine menschlichen Züge mehr zeigen mag.

Das alles ist fein und höchst vergnüglich inszeniert und zeigt, dass auch permanente Übertreibung ein Stilmittel sein kann, wenn man es denn einzusetzen weiß. Dass die Macher von Doctor's Diary, die sich zunehmend lösen von amerikanischen Serienvorbildern wie Scrubs und Filmfiguren wie Bridget Jones, wissen, was sie tun, zeigt sich vor allem an der Liebe zum Detail. Den Musikeinsätzen, zum Beispiel. Da schwillt bei einer fürchterlich kitschigen Fahrstuhlszene immer wieder das Pianothema von Love Story heran, um bei barschen Worten augenblicklich zu verstummen, aber dann gleich wieder zu anzuschwellen. Und als Dr. Haase zu einem Fallschirmsprung genötigt wird, schleicht sich aus dem Hintergrund der 70er-Jahre-Hit "Ballroom Blitz" der Gruppe Sweet heran und explodiert mit einem Riesenschrei - just in dem Augenblick, als auch die Hauptdarstellerin aus dem Flugzeug stürzt.

Entdeckt man dann noch in einer Nebenrolle die von Annette Strasser wieder wunderbar lapidar angelegte Krankenhaushelferin Gabi, die als bauernschlaue, aber doch leicht verpennte Krankenschwester immer wieder den Showstopper mimen darf, wünscht man sich schnell mehr von diesem zwischen Rosarot und Tiefschwarz oszillierenden Stilgemisch. Alles durcheinander und gerade deshalb gut.

Doctor's Diary, RTL, immer montags, 20.15 Uhr.

© SZ vom 3.8.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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