Die CDs der Woche - Popkolumne:Hassen auf höchstem Niveau

Die CDs der Woche - Popkolumne: Die Musik auf dem Album "Lukas Graham" (Island) ist ein sanft schunkelnder Off-Beat-Mix mit viel Bass.

Die Musik auf dem Album "Lukas Graham" (Island) ist ein sanft schunkelnder Off-Beat-Mix mit viel Bass.

Die Jungs von "Green Day" sind erst 40, die wissen noch, was Spaß macht - und ihre Instrumente beherrschen sie inzwischen auch. Wenn sie jetzt noch die Beherrschung auf der Bühne bewahren, spricht nichts gegen ein erneutes Punk-Revival. Die Popkritiken der Woche, diesmal zwischen Sexappeal und Soulfood, zum Hören und Lesen.

Von Max Scharnigg

Mutter Musiklehrerin, er selbst im Kinderchor, dann schon als Kind ein kleiner Singstar - am Dänen Lukas Graham Forchhammer lässt sich bilderbuchmäßig die gute musikalische Früherziehung der skandinavischen Länder ablesen. Dazu kommt in seinem Fall noch das Aufwachsen in der Freistadt Christiania, der etablierten Großkommune in Kopenhagen. Dort gründete er seine Band Lukas Graham, dort spielte er wöchentlich Konzerte und drehte auch sein erstes Video - und zwar in dem Zimmer, in dem er geboren wurde. Es verhalf ihm in kürzester Zeit zu einem Plattenvertrag und steigender Bekanntheit.

Weniger der Hippie-Charme als die außergewöhnliche Stimme des Frontmanns dürften dabei den Ausschlag gegeben haben. Forchhammers Organ klingt tatsächlich eher nach schweren Jahren in Peckham als nach dem lichten Kopenhagen, so schwarz und schön ist sie und auf jeden Fall ein Aha-Effekt, wenn man den bleichen, kurzgewachsenen Typ zum ersten Mal dazu auf der Bühne sieht. Die Musik auf dem Album "Lukas Graham" (Island) ist ein sanft schunkelnder Off-Beat-Mix mit viel Bass, dazu mal Bläser, mal Klavier. Am besten ist die Band dabei nicht in den pathetischen und gelegentlich etwas arg cheesy Soul-Balladen, sondern in den knackigen Funk-Pop-Ausflügen, etwa bei "Ordinary Things". Das hat Sexappeal wie einst bei Jamiroquai, das riecht nach internationalem Durchbruch - einfach weil genau dieser leichtverdauliche Soul to go seit Jahren schon die Charts dominiert.

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Green Day

Eine seltsame Geschichte ist das geworden. Da beschließt die Band, die in den 90er-Jahren maßgeblich den Fun-Punk populär gemacht und eine ganze Generation von Kids temporär auf die schiefe Bahn gebracht hat, sich doch noch mal zu melden. Während der Aufnahmen zu diesem neunten Album komponierten sich die drei Skater dann so in Rage, dass kurzerhand eine Album-Trilogie angekündigt wurde. Sie stehe auf dem Höhepunkt des kreativen Schaffens, so erklärte die Band diesen Dreisatz, die besten Green-Day-Songs aller Zeiten entstünden gerade.

Musik, Cds der Woche, Popkolumne, Greenday

"Tre!" ist der Höhepunkt der Album-Trilogie von Green Day.

Tatsächlich schaffte es der im September veröffentlichte erste Teil "Uno!" (Warner) bis weit vorne in die US-Charts, es sah aus, als würde der größenwahnsinnige Plan eines Punk-Hattricks aufgehen. Dann aber rastete Sänger Billie Joe Armstrong in Las Vegas auf der Bühne aus und wurde umgehend in eine Entzugsklinik gebracht, die Tour weltweit gestrichen und hämische Schlagzeilen geerntet. Das krachende Tryptichon war da zum Glück schon fertig gestellt und um die Fans für den Ausfall der Konzerte zu entschädigen, wurden die Teile "Dos!" und "Tre!" jetzt kurz hintereinander veröffentlicht. Die drei eigenständigen Platten versammeln tatsächlich so etwas wie eine große Werkschau von Green Day, wenn auch auf nicht immer gleichem Niveau. So ist der erste Teil eine vielfach zerbrochene, kleinteilige Sammlung früher Fun-Punk-Reminiszenzen, keine wirklich runde Sache. "Dos!" dann ist wesentlich solideres Songwriting und erinnert an die erfolgreiche Phase rund um "American Idiot" (2004). Statt ungezügeltem "Kick-it!"-Gedresche ist hier ein eher kultivierter, bisweilen abseitiger Punkrock zu hören.

Wie es sich gehört ist "Tre!" tatsächlich der Höhepunkt, an dem sich die Band zum Beispiel in einem Song wie "X-Kid" sehr selbstbewusst an das Beste erinnert, was sie je zustande gebracht hat: Spannungsgeladene Miniaturen, aufgebaut auf den immer gleichen Akkorden und dem immer gleichen Speed-Schlagzeug, die sich aber von Armstrongs frecher Bubenstimme auch immer neu verführen lassen. Klar, die Jungs sind jetzt erst 40, die wissen noch was Spaß macht und beherrschen sogar längst ihre Instrumente. Wenn sie jetzt noch die Beherrschung auf der Bühne bewahren, spricht nichts gegen ein erneutes Punk-Revival.

Die aktuellen Songs von Green Day sind momentan noch nicht bei Spotify zu hören.

Big Boi

Die CDs der Woche - Popkolumne: Big Bois neues Album "Vicious Lies and Dangerous Rumors".

Big Bois neues Album "Vicious Lies and Dangerous Rumors".

Relativ schnell nach seinem letzten Solo-Erfolg "Sir Lucious Left Foot" legt das Szeneschwergewicht Big Boi aus Atlanta jetzt mit einem weiteren Eigenwerk nach. Bekannt geworden ist er nicht nur als die andere Hälfte von Outkast, sondern auch als ein Rapmusiker, der bisweilen weit jenseits des Tellerrands unterwegs ist. Das belegen aktuell die Zusammenarbeit mit den Indie-Urgesteinen von Modest Mouse oder sein Wunsch, beim nächsten Werk mit Kate Bush zu trällern.

Auch auf "Vicious Lies and Dangerous Rumors" (Def Jam Records) selbst probt er Neues, namentlich mit seinen Stimmbändern, da ist mehr Musik, mehr Funk-Gesang als je zuvor, bzw. stimmt nicht, es gab auch schon bei Outkast solche Stellen, "Elevators" zum Beispiel, in der er die klassischen Rap-Hörgewohnheiten unterhaltsam aufweichte. Von Soloalbum kann man in diesem Genre natürlich nie so recht sprechen - mit einer ganzen Mannschaft an Gästen, darunter die üblichen KiD CuDi, Ludacris und A$AP Rocky fährt Big Boi auf diesem Album eine ganz breite Highway-Spur. Abwechslungsreich produziert und in lässiger Gemütsruhe aber sehr konsequent und schnell aufgenommen, ist das tatsächlich ein Stück genussreichen HipHops geworden. Nichts Richtungsweisendes, eher Soulfood zum Zurücklehnen wie es etwa die vorab geleakte Single "She Hates Me" schon vermuten ließ, aber das schon auf höchstem Niveau. Beängstigend nur, das Big Boi jetzt schon wieder ankündigt, zehn neue Lieder fertig zu haben. Obacht, Kate Bush!

Die aktuellen Songs von Big Boi sind momentan noch nicht bei Spotify zu hören.

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