"Der Hypnotiseur" im Kino:Vom Wal verschluckt

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Kommissar Joona Linna (Tobias Zilliacus) auf Verfolgungsjagd in "Der Hypnotiseur". (Foto: dpa)

Der Ermittler in "Der Hypnotiseur" heißt nicht zufällig wie der biblische Jonas - er wird von seinen Fällen verschlungen wie von einem Wal. Regisseur Lasse Hallström kommt nach mehr als zwanzig Jahren aus Amerika in seine Heimat zurück, um das zu verfilmen. Das Ergebnis: Ein Schweden-Noir voller Albträume, Einsamkeit und Terror.

Von Fritz Göttler

Träge liegt die Stadt vor uns, in gleichgültigem Dunst, winterlicher Indifferenz. Ganz langsam gleitet der Kamerablick über sie, Stockholm, eine graue, eine bleierne Welt.

Mit einem brutalen Mord fängt dann die Krimierzählung an, in einer Turnhalle, die Tat ist blutig und mit unglaublicher Wildheit ausgeführt. Kommissar Joona Linna von der Landeskriminalpolizei ermittelt, er will die Familie des Toten aufsuchen, aber niemand öffnet ihm. Joona schaut durchs Fenster, auch im Haus finden sich Leichen, zum Teil in grotesken Krümmungen. Nur einer ist nicht tot, der junge Sohn. Er steht offenbar unter Schock. Schwedenkrimis verdanken ihren Welterfolg der Vehemenz, mit der sie die Gesetze des Genres ignorieren, die traditionellen Krimistrukturen verzerren.

Es ist Lasse Hallströms erster Film wieder in Schweden. Mehr als zwanzig Jahre lebte und arbeitete er in Amerika, wo er andere Familienfilme drehte, amerikanische Dysfunktionalität und ihre Schatten: "Gilbert Grape" oder "The Cider House Rules" nach John Irving, mit Michael Caine. Nächste Woche läuft "Safe Haven" an, den Hallström nach dem "Hypnotiseur" machte, wieder in Amerika, seine zweite Nicholas-Sparks-Verfilmung. Sonne, Wasser, amerikanische Independence, aber auch die Drohung des Gestern. Man sollte die zwei Filme zusammen sehen, komplementär. Sie handeln vom Rückzug in geschlossene Räume und vom Eindringen der Vergangenheit, die Menschen stehen schutzlos den Erinnerungen und Traumata gegenüber.

Existenzieller Terror

Joona braucht die Aussage des Überlebenden. Um an den verstörten Sohn heranzukommen, soll Erik Maria Barka ran, ein Arzt, der einst erfolgreich Hypnose anwandte bei diversen Fällen. Unwillig lässt er sich überreden, es bei dem Jungen wieder zu versuchen.

Nach dem Ende des Krieges hat es im schwedischen Kino eine Tradition des Film noir gegeben, geprägt von Alf Sjöberg und dem jungen Ingmar Bergman, über Albträume, die sich mysteriös ins Leben hinein verlängern - und über die Einsamkeit, in die die Menschen dadurch gezwungen werden. Hallströms "Hypnotiseur" steht in dieser Noir-Tradition, führt ihren existenziellen Terror fort.

Die Ermittler haben die größten Probleme mit ihrem eigenen Leben in diesem Film, sie haben den Status der sekundären Unschuld verloren, sind vom Geschehen affiziert, Opfer geworden, das Spiel der Akteure grenzt ans Hysterische. Mit seiner Hypnose ist der Hypnotiseur Teil des Dramas geworden, seine Familie ist nun selbst der Bedrohung ausgesetzt, sein Sohn wird den Eltern aus dem Haus entführt. Und der Hypnotiseur, gespielt von Mikael Persbrandt, muss seine Frau (Lena Olin) hypnotisieren, um den Schimären des Unbewussten Formen zu geben und Namen.

Den Namen ihres Kriminalers haben die Autoren der Romanvorlage - das Paar Alexandra und Alexander Ahndoril, das unter dem Namen Lars Kepler schreibt - aus der Bibel: Jonas, der vom Wal verschluckt wird. Die Fälle, mit denen der Kommissar konfrontiert wird, sind seine Wale, sie verschlingen ihn und spucken ihn dann wieder aus. Am Schluss kommt die Stadt in den Blick zurück, eine graue amorphe Masse, über die der Blick schweift in einem Travelling, das nicht enden will.

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Von den SZ-Kritikern

Hypnotisören , Schweden 2012 - Regie: Lasse Hallström. Buch: Paolo Vacirca. Nach dem Roman von Lars Kepler. Kamera: Mattias Montero. Musik: Oscar Fågelström. Schnitt: Thomas Täng, Sebastian Amundson. Mit: Tobias Zilliacus, Mikael Persbrandt, Lena Olin, Helena af Sanderberg, Jonatan Bökman, Oscar Pettersson . Prokino, 122 Minuten.

© SZ vom 27.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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