90. Geburtstag von Judith Kerr:Granny für Generationen

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Judith Kerr floh 1933 mit ihrer Familie vor den Nazis. Nun feiert sie ihren 90. Geburtstag. (Foto: dpa)

Für ihre Bücher wie "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" schöpft Judith Kerr aus ihren Erfahrungen als verfolgte Jüdin im Dritten Reich. Zu den besonderen Eigenschaften der Schriftstellerin zählt ihr trockener Humor. Nun wird Kerr 90 Jahre alt.

Von Roswitha Budeus-Budde

"Judith Kerrs Erinnerungen bedeuten weder geschichtlichen Nachhilfeunterricht noch eine späte Anklage", befand die Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises, mit dem die Autorin 1974 für ihr politisches Kinderbuch "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" ausgezeichnet wurde. Vielmehr berichte Kerr "klug und warmherzig von einem Geschehen, das sich wiederholen kann. Kinder, für die die Zeit des Nationalsozialismus ferne Vergangenheit ist, können diesem Buch die Konsequenzen einer totalitären Regierungsform für das Leben jedes einzelnen entnehmen".

Inzwischen kennen Generationen von Schulkindern die Geschichte von Anna, dem Alter Ego von Judith Kerr, der es 1933 im Alter von neun Jahren gelingt, zusammen mit dem Bruder und den Eltern aus Deutschland zu fliehen - einen Tag, bevor ihnen die Pässe abgenommen werden sollten. Der Vater Alfred Kerr, einer der berühmtesten Literatur- und Theaterkritiker seiner Zeit, stand nicht nur als Jude, sondern auch als Gegner der Nationalsozialisten unter polizeilicher Beobachtung.

Als Judith Kerr 1971 "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" als ersten Teil ihrer Familiengeschichte für ihre Kinder schrieb, hatte sie längst die Odyssee und finanzielle Not der Kindheit und Jugend hinter sich gelassen. Nach einem Kunststudium und einem Lehrauftrag an einer Kunstakademie heiratete sie den Drehbuchautor Thomas Kneale und machte sich in England einen Namen mit den inzwischen zu den Klassikern zählenden Bilderbüchern "Ein Tiger kommt zum Tee" und "Mog, der vergessliche Kater", - mit 17 Fortsetzungen. Zu den typischen traditionellen Kinderfiguren der Sechziger- und Siebzigerjahre, liebevoll gezeichnet, mit manchmal komischen Effekten, erzählt sie hier Geschichten, die sie mit Szenen aus dem Familienleben unterlegt. Schon früh, in ihrer Kindheit zeigte sich diese künstlerische Doppelbegabung.

Überwindung der Fremdheit

Das Zeichnen und Schreiben half ihr, als Emigrantin in der Schweiz, danach in Frankreich und schließlich in England, die sprachliche und kulturelle Fremdheit zu überwinden. Gleichzeitig war sie lange beunruhigt, ob ihr Talent wirklich ausreichte, um davon zu leben. Es war immer wieder der Vater, der sie bestärkte, und noch nach so vielen Jahren zu ihrem 90.Geburtstag erinnert sie sich in einem Interview mit Ute Wegmann vom Deutschlandfunk daran, dass er ihr versicherte: "Du hast Talent".

Zu ihren besonderen Eigenschaften zählt ihr trockener Humor. So erzählt sie in "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" vom Besuch der Großmutter in ihrer winzigen und trotzdem kaum zu bezahlenden Pariser Wohnung und dem entrüsteten Ausruf der betuchten alten Dame: "So sollten Kinder nicht aufwachsen!" Es wurde ein geflügeltes Wort, wenn die Eltern etwas nicht erlaubten, oder wieder einmal die finanzielle Misere zu groß wurde, weil Alfred Kerr im Ausland kaum Möglichkeiten fand, gedruckt zu werden, und die Mutter, eine Pianistin aus gut bürgerlichem Hause, nur mühsam den Alltag ohne Dienstboten bewältigte.

Bis ins hohe Alter hat sich Judith Kerr neben ihrer Kreativität diesen Humor bewahrt. Ihr letztes Bilderbuch "The Great Granny Gang", erschien 2012 und erzählt von einer Großmutter-Gang, die eine jugendliche Verbrecherbande jagt. An diesem Freitag feiert Judith Kerr ihren 90. Geburtstag .

© SZ vom 14.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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