Sprachlabor:Wie viele Frauen?

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Der G-7-Gipfel wurde bei uns als großes Staatsmänner- und Frauentreffen bezeichnet. Aber so viele Frauen waren es doch gar nicht.

VERZWEIFELT klingt Leser A.: Ihm sei von alledem so dumm, als ginge ihm ein Mühlrad im Kopf herum. Was ihn quält, ist die Frage, ob es "sein unförmiges Äußeres" oder "sein unförmiges Äußere" heißt. Die fragliche Stelle war nicht zu finden, wohl aber die Parallele, wonach die Weißwurst "ein bleiches Äußeres" vorzuweisen habe. "Duden und Wahrig schweigen", klagt Herr A. Nun, wir nicht. Dem angeblich schweigenden Duden ist nämlich zu entnehmen, dass bei substantivierten Adjektiven wie das Äußere oder das Ganze die schwache Deklination auftritt, die ansonsten veraltet ist. Thomas Mann liefert mit "mein eigenes Innere / mein ganzes Inneres" den Beweis, dass beide Varianten nebeneinander bestehen können.

EINE WEIT OFFENE TÜR rennt Leser Prof. Dr. Sch. ein, wenn er die "Unart" geißelt, in Wendungen wie "Die Kanzlerin, die (sie) sagte gar nichts" das Satzsubjekt ohne Not ein zweites Mal aufzurufen. Es handelt sich um ein, wie Sch. schreibt, überflüssiges Verstärkungselement und sollte der spontanen Rede vorbehalten bleiben, in der die Wiederaufnahme des Subjekts legitim ist, weil man sich möglicherweise erst überlegen musste, ob die Kanzlerin etwas sagt oder nicht. Schwieriger ist die Frage zu klären, was hinter der Marotte steckt. Sch. sieht "einen Hang zum Sprachbarock" walten, der wiederum daher rühre, "dass man als Journalist zwar immer mehr Textmassen produzieren muss, aber immer weniger zu sagen hat". So bedenkenswert das ist, so anfechtbar ist es auch: Gegen inhaltliche Dürftigkeit ist mit ein paar Artikeln oder Pronomen nichts ausgerichtet.

DER G-7-GIPFEL wurde bei uns als großes "Staatsmänner- und Frauentreffen" bezeichnet, was in Leser M. Assoziationen zu Berlusconis Bunga-Bunga-Festen aufrief. Um keinen Schatten auf Elmau zu lassen, sei der Ergänzungsstrich hier nachgeliefert: Es war ein großes Staatsmänner- und -frauentreffen. (Das heißt, wie viele Staatsfrauen waren es eigentlich?)

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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