Sprachlabor:Von gieben und geben

Lesezeit: 1 min

(Foto: N/A)

Das Internet, mahnt unser Leser B., sollte nicht der Maßstab sein. Er zielt damit auf das Wort freigiebig, dessen Herleitung falsch sei.

Von Hermann Unterstöger

VOM FUSSBALL versteht angeblich jeder etwas. Der Schreiber dieser Zeilen tut das nicht, weswegen er den Ball, den Leser R. ihm zuspielt, nur weitergibt. In einer Geschichte zum Trainerwechsel bei Borussia Dortmund hieß es, deren Sieg über Paderborn sei ein "Versatzstück" für das Erreichen eines größeren Ziels gewesen. Versatzstücke sind bewegliche Teile von Bühnenbildern, im erweiterten Sinn Bestandteile künstlerischer Werke, die anderswo wiederverwendet werden. Übernimmt man diese Definition, stellt sich die Frage, ob die Borussen dieses 3:0 bei ihrem weiteren Tun und Treiben noch einmal verwenden können.

DAS INTERNET, mahnt unser Leser B., sollte nicht der Maßstab sein, wenn es um "Fehlbildungen in der Sprache" geht. Er zielt damit auf das Wort freigiebig, dessen Herleitung falsch sei: "Gieben gibt's nun mal nicht." Da hat er recht, sowohl mit dem Internet als auch mit gieben. Andererseits ist zugunsten des Internets zu sagen, dass es Fehler nicht erfindet, sondern nur registriert, also die Sprachwirklichkeit abbildet - wie immer diese qualitativ einzuschätzen sein mag. Betrachtet man freigebig/-giebig in diesem Spiegel, kommt man fast auf einen Gleichstand beider Formen, was auf Sprachforen als eine Art Ritterschlag für freigiebig interpretiert wird; der Duden führt es ebenfalls, als Synonym für freigebig. Nach den meisten Quellen ist freigiebig analog zu ergiebig, ausgiebig oder nachgiebig gebildet worden. Grimm zufolge gab es einst das Adjektiv giebig (auch gäbig), das die Bedeutung von freigebig haben konnte.

UNTER DEN METAPHERN zur Politik spielt die Kerbe eine große Rolle. Kürzlich hieß es bei uns, Gerda Hasselfeldt und Andreas Scheuer (beide CSU) hätten "in eine ähnliche Kerbe" geschlagen. Leser G. findet das befremdlich, und in der Tat gilt es in Holzhackerkreisen als grober Kunstfehler, in ähnliche Kerben zu schlagen. Nur wenn alle in die gleiche Kerbe schlagen, fällt der Baum.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: