Sprachlabor:Traumatische Niederlage

Lesezeit: 1 min

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wie weit darf man es mit medizinischen Metaphern und Vergleichen treiben, ohne Rücksicht auf das Leid der Betroffenen zu nehmen?

Von Hermann Unterstöger

DASS MAN KRANKHEITEN bildlich verwenden darf, ist klar: Wer von "fieberhafter Eile" spricht, macht sich nicht über Fieberkranke lustig, und wer sagt, dies oder jenes sei kein "Beinbruch", lebt in Frieden mit den Orthopäden. Die Grenze des metaphorisch Erlaubten wird durch die Schwere der zum Vergleich bemühten Krankheiten markiert, wobei Pest und Cholera durchgehen, weil sie, bei uns jedenfalls, als nichtexistent, ja beinahe mythisch, wahrgenommen werden.

Vor einiger Zeit hatten wir die Frage, ob es angehe, den Begriff schizophren im Sinn von absurd, verrückt einzusetzen, oder ob der Respekt vor Menschen, die an Schizophrenie leiden, dies verbiete. Ergebnis: Man solle es bleiben lassen, ungeachtet dessen, dass der Duden schizophren als bildungssprachliches Synonym für in sich widersprüchlich, in hohem Grade inkonsequent gelten lässt.

Nun legt Leserin B. ein ähnliches Problem vor, und als Diplompsychologin ist sie auch in der Lage, den Kern der Sache bündig herauszuarbeiten. Es geht ihr um den metaphorischen Gebrauch des Wortes Trauma bei der kürzlich begangenen Fußball-Europameisterschaft, eine Beobachtung, die ohne große Recherche dahin erweitert werden kann, dass die Sportberichterstattung bei herberen Niederlagen generell gern von Trauma und traumatisch spricht. Für Frau B. reicht die Palette der Traumata von erlebter kindlicher Gewalt, sexuellem Missbrauch, Überfällen und Vergewaltigungen bis hin zu Folter und Kriegserlebnissen, und sie fragt sich, wie es Menschen, denen solches widerfuhr, "wohl geht, wenn ihre Erlebnisse auf eine Stufe mit einer Niederlage in einem Fußballspiel gestellt werden".

DIE OLYMPIADE war einst der Zeitraum zwischen olympischen Spielen, die Sieger hießen Olympioniken. Die Olympiade hat sich selbständig gemacht und bezeichnet heute die Spiele selbst. Dass die Teilnehmer noch längst keine Olympioniken sind, daran erinnert Leser Dr. K., und zwar vergeblich, wie zu befürchten steht.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: