Sprachlabor:Sintemalen und Co.

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Hermann Unterstöger geht an die Grenze des Möglichen, indem er herausfindet, seit wann es die Floskel "in Zeiten von..." eigentlich gibt. Und eine Leserin erklärt ein altes Wort.

Von Hermann Unterstöger

"MIR PERSÖNLICH MISSFÄLLT diese Wendung", schreibt unser Leser G., und wenn wir herzlos wären, würden wir uns denken: Dann mach das auch mit dir selber ab. Sind wir aber nicht. Was Herrn G. missfällt, ist die handliche Formulierung "Ihm droht eine Haftstrafe von . . .", bei der er den Akteur vermisst. Die Sache verhält sich so, dass das Verb drohen zweifach eingesetzt werden kann. Die eigentliche Verwendung belegen Sätze wie "Ich drohe dir mit dem Stock". Die uneigentliche, um die es hier geht, sagt aus, dass etwas Gefährliches oder Unangenehmes im Anzug ist: "Den ganzen Tag droht bereits ein Gewitter." Ein Sonderfall findet sich in Schillers "Kabale und Liebe", worin Ferdinand zu Miller sagt: "Vater, bring Er die Tochter weg - sie droht eine Ohnmacht."Auf G.s Zitat übertragen, müsste der Staatsanwalt zum Verteidiger sagen: "Herr Kollege, bring er den Angeklagten weg - er droht drei Jahre Knast."

AN DIE GRENZE des Möglichen führen Fragen wie die unserer Leserin B.: Seit wann es die Floskel "in Zeiten von . . ." gebe und ob das im Archiv nachprüfbar sei. Unser medienübergreifendes elektronisches Archiv reicht 30 Jahre zurück und wirft 10 160 Treffer aus, beginnend mit "in Zeiten von Dieter Kunzelmann" ( taz, 20. Oktober 1986). Von da an tappen wir im Dunkel, glauben aber wenigstens zu wissen, dass die Wendung durch Gabriel García Márquez' 1985 erschienenen Roman "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" mächtig Auftrieb bekommen hat.

WEIL WIR GERADE IM ARCHIV waren, haben wir gleich noch "sintemalen" eingegeben (19 Treffer). Anlass war der von Leserin T. kritisierte Satz über Saufabende, bei denen es nicht mehr reiche, "wie sintemalen [ . . . ] die Krüge kreisen zu lassen". Frau T. erinnert daran, dass sintemalen nicht damals bedeutet, sondern weil, und ergänzt den Komplex "Missverstandene Wörter" um die Anekdote von dem Fünfjährigen, der mit seinem Vater stritt und diesem am Ende wütend zurief: "Du Mixer!"

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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