Sprachlabor:Schwer ist leicht was

Lesezeit: 1 min

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Warum dekliniert man das Adjektiv "lange" in der Wiener "Langen Gasse", aber warum nicht das "schwer" in der "Schwere-Reiter-Straße"? Das sind tatsächlich die Feinheiten der deutschen Grammatik. Hermann Unterstöger klärt auf.

Von Hermann Unterstöger

PRÜFT MAN NACH, wie die Schwere-Reiter-Straße (München) und die Fröhliche-Türken-Straße (Regensburg) dekliniert werden, kommt man auf einen kuriosen Befund. Obwohl die Straßennamen nach dem gleichen Muster gebildet sind, wird bei der Fröhliche-Türken-Straße das Adjektiv fröhlich öfter mitgebeugt als sein Pendant schwer bei der Schwere-Reiter-Straße. Mit anderen Worten, es gibt prozentual mehr "in der Fröhliche n-Türken-Straße" als "in der Schwere n-Reiter-Straße". Im Regensburger Fall hieße das, dass die Türkenstraße fröhlich ist, im Münchner Fall, dass die Reiterstraße schwer ist. In beiden Fällen liegt ein Fehler vor, der bei der Langen Gasse in Wien nicht passieren kann: Sie ist wirklich lang. Leser G. ist auf diese häufig anzutreffende Nachlässigkeit bei der Formulierung "... verdankt er nicht nur seinem guten Gedächtnis, sondern auch der Roten-Armee-Fraktion" aufmerksam geworden. Das "n", findet er, hat diese Truppe nicht verdient.

AUF DIE EXTREMHITZE im August führte es unser Leser Dr. F. zurück, dass in der SZ plötzlich Menschen beeinträchtigt werden konnten, statt wie bisher "die Verständlichkeit, die Stimmung, das Reaktionsvermögen, die Hilfsbereitschaft". Hat sich da eine Änderung im Wortgebrauch eingeschlichen? Um gleich bei Goethe anzuklopfen, so finden sich bei ihm zwar Wendungen wie "ohne meine gefühlvollste Hochachtung zu beeinträchtigen", daneben aber auch die klar auf eine Person bezogene Formulierung "ohne den ersten Besitzer zu beeinträchtigen". Vielleicht helfen ein paar Anmerkungen zum Wort beeinträchtigen. Es wurzelt nicht in Eintracht (im Sinn von concordia), sondern in Eintrag gleich Schaden, ein älteres, aber gut belegbares Wort: "Die wahre Tugend leidet auch bei den gefährlichsten Gelegenheiten nicht den geringsten Eintrag" (aus einer Schrift über die Ehe). Wahrscheinlich ist die auf Sachen bezogene Verwendung von beeinträchtigen die übliche, doch wo Sachen Schaden leiden, können dies traurigerweise auch Menschen tun.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: