Sprachlabor:Schuld und Strafe

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ein Leser empört sich über den Begriff Steuersünder, welcher verharmlosend sei. Dabei sei mit Sünden nicht zu scherzen, schreibt unser Sprachforscher, sie seien Zerwürfnisse mit Gott.

Von Hermann Unterstöger

CIRCA ALLE ZWEI JAHRE wird in der deutschen Presse etwas, das mit Zähnen und Klauen zu verteidigen wäre, "mit Zehen und Klauen" verteidigt, eine kampftechnische und sprachliche Verirrung von Rang. Jetzt war unser Blatt wieder dran, und abermals fragte sich Leser H., ob das die Variante für Gebissträger sei?

DER "STEUERSÜNDER" treibt sein Wesen so lang, wie es Steuern gibt, und hält damit die Strafjustiz am Laufen. Er ist aber auch ein immerwährendes Ärgernis für Sprachfreunde wie unseren Leser P., der daran erinnert, dass der Begriff Steuersünder "reine Propaganda" sei und dazu diene, "eine Straftat zu verschleiern". In der Tat kennt das Strafrecht keine Sünder, sondern nur Straftäter, und zu diesen gehören nun mal auch Leute, die gegen die Steuergesetze verstoßen. Wer Steuerbetrüger als Steuersünder bezeichnet, gibt der überaus populären Vermutung Raum, Steuerverkürzung sei ein Kavaliersdelikt; im Hintergrund rauscht dazu das ähnlich populäre Lied "Wir sind alle kleine Sünderlein, / 's war immer so, 's war immer so". So recht Herr P. hat, so wenig sollten wir freilich übersehen, dass die Sünde ihrerseits einen, wie die Theologen es ausdrücken, Abbruch personaler Beziehungen zwischen Mensch und Gott bedeutet. Ein Kavaliersdelikt oder gar eine Gaudi ist auch das nicht.

DER "UNDANKBARE vierte Platz" findet sich bei uns so selten, dass man ihn unter "ferner liefen" abbuchen kann. Dessen ungeachtet ist es Leser B.s Anliegen, diese Phrase erläutert zu bekommen. Da Herr B. nicht sagt, was ihn daran stört, ist zu vermuten, dass seiner Meinung nach nur Menschen undankbar sein können, nicht jedoch Plätze. Diese Sicht der Dinge geht an der Wunderkammer des Übertragenen und Sinngemäßen vorbei, worin undankbar in der Bedeutung von nicht lohnend oder unersprießlich vorgehalten wird. Von den Chaldäern sagt Wieland, sie bewohnten "ein gebürgiges undankbares Land" - das ist übler als ein vierter Platz.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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