Sprachlabor:Kastanien statt Kohlen

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wie man durch Übergenauigkeit auf die falsche Fährte gelockt wird, dass es sinnvoller ist, Kastanien als Kohlen aus dem Feuer zu holen, und ob papstbar haltbar ist: Das alles weiß SZ- Sprachlaborant Hermann Unterstöger.

Von Hermann Unterstöger

ABHILFE DURCH WEGLASSEN: Nach Ansicht unseres Lesers Dr. Z. hätte das bei der Überschrift "Statistisch haben Frauen mehr Kinder als Männer" großen Nutzen gestiftet. Ohne die letzten Wörter "als Männer" hätte man, wie er es formuliert, das implizit Gemeinte folgern können, statt etwas nicht Gemeintes explizit sehen zu müssen, also auf die falsche Fährte gelockt zu werden. Dessen ungeachtet weiß er dem schillernden Gebilde einen heiteren privaten Nutzen abzugewinnen. "Meine Frau", schreibt er uns, "hat zwei Kinder, aber nur einen Mann."

STAATSSEKRETÄR ODENWALD arbeitet im Bundesverkehrsministerium und hat, wie es bei uns hieß, "schon so manche Kohlen aus dem Feuer geholt". In Leser R.s Augen war das ein fataler Dienst, weil da schließlich irgendwann das Feuer aus gewesen sein muss. Hinter der Redensart steht Jean de La Fontaines Fabel vom Affen und vom Kater, worin der listige Affe Bertrand den gutmütigen Kater Raton dazu bringt, Kastanien aus der Glut zu holen. Alternativ werden auch Kartoffeln aus dem Feuer geholt, so dass Michael Odenwald die Wahl hat, wie er seinem Herrn weiterhin dient.

BETRIEBE DER PAPST eine Bar, spräche man von einer "Papstbar". Das Adjektiv papstbar jedoch ist für Leserin S. "nicht haltba r , da -bar nu r mit einem Verbstamm, aber nicht mit einem Substantiv kombinierbar ist". Sieht man davon ab, dass -bar in anrüchigen Grenzfällen wie unkaputtbar auch mit Adjektiven verbunden wird, ist das richtig. Bei dem nicht minder anrüchigen papstbar (das die Zeit auch schon mal verwendet hat, freilich in distanzierenden Gänsefüßchen) handelt es sich um eine Annäherung an das italienische papabile , dessen beneidenswerte Griffigkeit mit unserem wert, zum Papst gewählt zu werden nicht annähernd erreicht wird. Es ist ratsam, auch im Deutschen bei papabile zu bleiben. Das Wort wird allgemein verstanden und ist zudem orecchiabile, also dem Ohr schmeichelnd.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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