Sprachlabor:Inflationäre Spannung

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Über Schuld und Entschuldigung und warum das Wort "spannend" in einem Loch auf der Töginger Straße verschwinden sollte.

Von Hermann Unterstöger

SCHULD UND ENTSCHULDIGUNG: Wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, wurde im Feuilleton unlängst dargestellt. Da in dem Text jedoch auch "der sich entschuldigt" vorkam, hielt Leser B. es für geboten, daran zu erinnern, dass der Schuldige allenfalls Entschuldigung erlangen, sie sich aber nicht selbst erteilen könne. Man kann dazu nicht mehr sagen, als was schon tausendmal gesagt wurde, nämlich dass die Entschuldigung vom Geschädigten kommen muss und es allemal das Beste ist, um Entschuldigung zu bitten. Richtig ist aber auch, dass sich entschuldigen als kleiner Akt der Reue und als alltagstaugliche Geste der Bußwilligkeit verstanden wird, woraus freilich auch folgt, dass es bei größeren Verfehlungen mit einem "Tschuldigung" nicht mehr getan ist. Da in diesem Kontext gern auf Sprachen verwiesen wird, denen die Selbstentschuldigung nicht geläufig sei, hier etwas Gegenteiliges aus dem Lateinischen. Cäsar schreibt einmal von Gesandten, die sich wegen ihres früheren Benehmens entschuldigen wollten, "qui se de superioris temporis consilio excusarent" (De bello Gallico IV, 22).

DAS WORT"SPANNEND" hat es Leser G. so angetan, dass er es vernichten lassen will. Wir sollen es, schreibt er, "in einem Loch auf dem Mittelgrünstreifen der Töginger Straße" versenken, wobei man wissen muss, dass das ein Autobahnteilstück ist, das wir von der Redaktion aus im Blick haben. Herr G. hat nichts gegen das Wort an sich, wohl aber gegen dessen leicht besinnungslose Verwendung für alles und jedes. Den Gipfel erreichte sein Grimm, als er die Überschrift "Plötzlich spannend" las. Sie galt den Wandlungen des Berliner Bürgermeisters Michael Müller, wurde in der SZ aber auch früher schon verwendet: einmal bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein und einmal, als die SpVgg Unterhaching II gegen die SpVgg Ansbach mit 1:0 Toren gewann. Was das Loch im Grünstreifen angeht, so werden wir die Autobahndirektion Südbayern kontaktieren. Es bleibt also spannend ...

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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