Sprachlabor:Falscher Plural

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Dass die SZ meist von Präsidentschaftswahlen spricht, wenn sie die Präsidentenwahl in den USA meint, erbost einen Leser - und er hat Recht.

Von Hermann Unterstöger

IN ANLEHNUNG an Fontanes Archibald Douglas - "Ich hab' es getragen sieben Jahr" - sagt Leser Dr. F: "Ich will es nun nicht länger unwidersprochen hinnehmen." Was ihn belastet, ist der Ausdruck Präsidentschaftswahlen, an dem ihn zweierlei aufregt, nämlich der blindlings von den elections übernommene Plural Wahlen und, mehr noch, die Präsidentschaft. Da in einer einzigen Wahl ein einziger Präsident gewählt wird, müsse es Präsidentenwahl heißen (wobei der Klarheit halber angefügt sei, dass -en keine Pluralendung ist, sondern ein Fugenelement). Und das Wort Präsidentschaft? Damit bezeichnet man sowohl das Amt als auch die Amtszeit eines Präsidenten, aber weder das eine noch gar die andere sind Gegenstand von Wahlen.

UNTER TOTENTEXTEN versteht man gemeinhin altägyptische Pyramiden- und Sargtexte, ferner Unterweltsbücher, aus denen man dies und das über die Topografie des Jenseits erfährt. Leser E., der sich auch in solchen Sachen auskennt, war darum nicht wenig erstaunt, als er in einer Konzertkritik erfuhr, dass die Pianistin Dina Ugorskaja beim Spielen "den Totentext" analysiere. Herr E. und der Kritiker bereinigten das in einem kurzen launigen Briefwechsel. Das Korrekturprogramm war übrigens unschuldig. Es stolpert weder über Noten- noch Totentext.

APROPOS KORREKTURPROGRAMM: In der Regel hat es kein Problem, Diphthonge zu erkennen und bei der Silbentrennung auf sie Rücksicht zu nehmen. Es trennt Bauer in Bau-er und nicht etwa in Ba-uer. Schwierigkeiten gibt es, wenn ein Umlaut wie das "ö" in der Gestalt von "oe" erscheint. Steht ein damit gebildetes Wort am Zeilenende, kommt es zu ebenso hässlichen wie peinlichen Trennungen. Lange war es Franz X. Kroetz, der zu Kroetz verunstaltet wurde. Nun hat es den Bildhauer Fritz Koenig erwischt. Dreimal wurde er in Ko-enig zerrissen - und er kann noch von Glück sagen, dass er die anderen Male mitten in der Zeile stand.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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