Sprachlabor:Falsche Platzangst

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Das Goggomobil war ein lustiges, für die Bewältigung der Nachkriegsjahre wichtiges Auto. Aber Platzangst hatte man darin nicht.

DAS GOGGOMOBIL war ein lustiges, für die Bewältigung der späten Nachkriegsjahre nicht unwichtiges Auto. In klassischer, von Leser B. zu Recht gerügter Verwechslung zweier Fachbegriffe hieß es bei uns, man hätte im Goggo keine Platzangst haben dürfen. Die durfte man darin getrost haben, es sei denn, man wäre auf einen sehr, sehr weiten Platz gefahren. Die Angst vor weiten Plätzen nennt man Platzangst (Agoraphobie), ihr Gegenteil Raumangst (Klaustrophobie). Wer je zu sechst im Goggo gefahren ist, weiß fürs Leben, dass weder diese noch sonstige Phobien angebracht waren.

WAS WIDERFÄHRT einem Menschen, der sich als Held fühlt? Ihm widerfährt ein Sich-als-Held-Fühlen. Solche Kopplungen sind in der Regel Augenblicksbildungen, die so schnell wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Insofern muss man sich auch über ihre Deklination keine Gedanken von der Art machen, wie Leser K. sie sich machte, als er von "Unterstützern des Englischen-Garten-Tunnels" las. Seine Kernfrage, ob nicht schon das Kompositum Englischer-Garten-Tunnel eine sprachliche Missgeburt sei, ist zu bejahen. Wenn das Balg aber nun mal da ist, sollte man seinen fünf Sinnen trauen und es deklinieren wie etwa das Radfahren, das man ja auch vor dem Genitiv des Radesfahrens verschont. Für besagten Tunnel gilt also: der Englischer-Garten-Tunnel, des Englischer-Garten-Tunnels und so fort.

GEREIMTE KRITIK kommt nicht alle Tage, und so sei denn Leser W. zunächst dafür bedankt. Es ging ihm um den Unterschied zwischen brauchen und gebrauchen, aufgehängt an der Aussage eines Managers, "er könne auch Geringqualifizierte gebrauchen". Man muss ja nicht gleich Aleksandar Tišmas düsteren Roman "Der Gebrauch des Menschen" heranziehen, aber das Verb benutzen schimmert doch deutlich durch. Herr W. dichtet: "Wer das Wort gebrauchen falsch gebraucht, / sei in Schimpf und Schande getaucht."

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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