Sprachlabor:Allns klor?

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Von Schiffen und der Schifffahrt scheinen manche Redakteure in Bayern eher wenig Ahnung zu haben. Nur so ist zu erklären, warum ein Schiff bei uns jüngst in der Schleuse gestanden und nicht gelegen hat. Wir geloben Besserung.

Von Hermann Unterstöger

DIE "CAPTATIO BENEVOLENTIAE" ist eine rhetorische Figur, die den Zuhörer günstig stimmen soll. Leser N. zum Beispiel gibt der Hoffnung Ausdruck, dass man in ihm keinen Beckmesser sieht, nur weil er folgenden Satz für schlecht bzw. falsch konstruiert hält: "Merkel und Hollande beraten Krise in Paris." Von Beckmesserei kann keine Rede sein, da hier gegen ein Grundgebot des Satzbaues verstoßen wurde. Ihm zufolge hat der Schreiber die von ihm wahrgenommene Wirklichkeit so zu "setzen", dass der Leser diese Setzung nachvollziehen kann. Die vorliegende Konstruktion liest sich, als wäre in Paris eine Krise ausgebrochen, die von Merkel und Hollande beraten wird. Wahlweise ist sie auch so zu verstehen, dass Merkel und Hollande die Krise eigentlich in Wuppertal hätten beraten wollen, sich dann aber doch für Paris entschieden haben. Klarheit herrscht, wenn man nach altem syntaktischen Brauch die Raum- angabe vor das Akkusativobjekt stellt.

BAYERN IST EIN BINNENLAND. Nichtsdestoweniger steht es einer hier erscheinenden Zeitung gut zu Gesicht, die wichtigsten Ausdrücke der Schifffahrt so zu beherrschen, dass sie von Blamagen verschont bleibt. Ein in dieser Hinsicht nicht hasenreiner Bericht veranlasst das Ehepaar F., uns Folgendes zu schreiben, und zwar hinter die Ohren: Schiffe stehen nicht in der Schleuse, sie liegen dort. Sie haben auch keinen Fahrer, sondern einen Schiffsführer. Das Vorderschiff ist nicht das Schiff, das vor einem liegt, sondern der Vorderteil des eigenen Schiffs. Bei Gütermotorbooten, noch dazu solchen von 86 Metern Länge, handelt es sich immer um Schiffe, und es werden diese auch nicht wie Bergsteiger angeseilt, sondern festgemacht. Allns klor, Kollegen?

VOM OBAZDN wiederum verstehen wir Bayern mehr als die Seeleute. Umso betrüblicher, dass er ausgerechnet bei uns falsch dekliniert wurde. Leser K. hilft nach: der Obazde, des Obazdn, dem Obazdn, den Obazdn. Vokativ: o Obazda!

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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