Sprachlabor:Alle Kunst

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Alle Kunst oder alle Kunstwerke? Lichtjahre als Zeitangabe? Spricht ein gebürtiger Oberpfälzer anders als bairisch?

Von Hermann Unterstöger

DASS "ALLE KUNST" (gemeint waren die von den Nazis geraubten Kunstwerke) zurückgegeben werden müssten, stieß bei Leserin G. auf Missfallen, wobei es natürlich nicht die Forderung war, die in ihren Ohren "unmöglich" klang, sondern die Verbindung des Indefinitpronomens alle mit dem Singular-Nomen Kunst. Die Irritation ist verständlich, da sich die Formulierung alle Kunst anhört, als stehe die Kunst als solche, in ihrer All- und Ganzheit, zur Restitution an. In Wirklichkeit geht es um eine Vielzahl von einzelnen Kunstwerken, was die Formulierung alle Kunstwerke erfordert hätte; in der Alltagssprache kann man auch die ganzen Kunstwerke durchgehen lassen. Frau G.s Widerwille gegen alle + Singular-Nomen gilt wohl diesem Einzelfall. Generell ist diese Fügung in der gehobenen Sprache durchaus üblich und honorig, man denke nur an Nietzsches unvergängliche Verszeile "Doch alle Lust will Ewigkeit . . ."

STEFAN OSTER, der Bischof von Passau, ist mittlerweile in all seinen Facetten erfasst und geschildert. Eines aber blieb bis vor Kurzem ungesagt und kam erst in unserem Porträt ans Tageslicht: dass er "als geborener Oberpfälzer mit bayerischer Färbung" rede. Leser L., weniger geborener als gebürtiger Oberpfälzer, fragt sich, welche Färbung Osters Redeweise denn sonst haben sollte. Immerhin gehört die Oberpfalz seit Jahrhunderten zu Bayern, und das Oberpfälzische wird unter die nord-, nordmittel- und mittelbairischen Dialekte gerechnet. Probe gefällig? "Dou is a Backl Fotzn glei aafgmacht!"

DAS LICHT JAHR ist im Grunde selber schuld daran, dass es immer wieder als Zeitangabe missverstanden wird. Bei uns wurde es im Zusammenhang mit Stasigeschichten verwendet, die "Lichtjahre zurückzuliegen" scheinen, was unseren Leser Sch. zu der Frage animierte, wie viele Lichtjahre es denn sein sollten: Bei zehn wären das 94 610 000 000 000 Kilometer, eine Entfernung, in der selbst die Stasi und all ihr Glanz zu verblassen begännen.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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