Studie zur Arbeitssituation von Praktikanten:Willkommen in der Wohlfühlzone

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Studie zur Arbeitssituation von Praktikanten: 82 Prozent der Befragten sind zufrieden (Foto: dpa)

Kehren am Arbeitsmarkt die guten Sitten zurück? Jahrelang erregte die prekäre Lage der "Generation Praktikum" die Gemüter. Nun scheint die Stimmung zu drehen: Der Nachwuchs von heute ist ziemlich zufrieden - wenn auch nicht in allen Branchen.

Von Thomas Öchsner, Berlin, und Angelika Slavik

Das Klischee geht so: Da sind junge Leute, sie sind gut ausgebildet und motiviert, sie wollen lernen und im Arbeitsleben ankommen. Und da sind Unternehmen, sie sind gierig und berechnend, sie wollen die Arbeitskraft, die Ideen und die Dynamik dieser jungen Menschen, aber zahlen wollen sie nichts. Und auf ein reguläres Arbeitsverhältnis festlegen wollen sie sich schon gar nicht. Deswegen knechten die Unternehmen den Nachwuchs mit schier endlosen Praktika. Und die jungen Leute? Hangeln sich von einem Schnupperjob zum nächsten, ohne Planungssicherheit, ohne finanzielle Basis, gefangen in einer WG-Existenz, für die sie eigentlich längst zu alt sind.

Die Realität funktioniert selten nach so einem strengen Schwarz-Weiß-Prinzip, aber tatsächlich war die Arbeitswirklichkeit vieler junger Menschen, vor allem vieler junger Akademiker, nicht besonders rosig. Sie waren die "Generation Praktikum" - und sie waren unzufrieden.

Hat das nun ein Ende? Kehren am Arbeitsmarkt die guten Sitten zurück? Eine neue Studie, die auf einer bundesweiten Umfrage unter mehr als 7500 Praktikanten beruht, legt das zumindest nahe. Denn die Untersuchung bietet überraschend positive Ergebnisse zur Arbeitssituation von Praktikanten. Demnach waren 82 Prozent der Befragten mit ihrem Praktikum zufrieden.

Entscheidend dafür dürfte wohl sein, dass unbezahlte Praktika in den meisten Unternehmen offenbar nicht mehr gang und gäbe sind. So erhielten 94 Prozent für die Schnuppermonate Geld - im Durchschnitt 736 Euro im Monat. Fast jeder Zweite merkt aber trotzdem an: Das ist zu wenig. Dass mehr drin sein könnte, zeigt zumindest der internationalen Vergleich: In anderen europäischen Ländern rücken die Arbeitgeber für die Praktikanten im Mittel immerhin 944 Euro heraus.

Weniger Geld für Frauen

Die Überweisungen fallen je nach Bundesland höchst unterschiedlich aus. Am besten bezahlt wird im Norden: Hamburg liegt mit 833 Euro an der Spitze, gefolgt von Bremen mit 791 Euro und Bayern mit durchschnittlich 765 Euro. An letzter Stelle auf der Gehaltsliste stehen die drei ostdeutschen Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Durchschnittsverdiensten zwischen 500 und 550 Euro.

An das insgesamt positive Urteil wollen freilich nicht alle glauben. Florian Haggenmiller, Bundesjugendsekretär des Gewerkschaftsbundes, verweist darauf, dass noch 2011 in einer Untersuchung 40 Prozent der Praktika als unbezahlt galten. Mehr als die Hälfte der Befragten damals gab an, finanzielle Unterstützung durch die Eltern zu benötigen. Haggenmiller sagt, es widerspräche "jeder Lebenserfahrung, dass sich diese prekäre Situation binnen kürzester Zeit dramatisch verändert" haben solle. Praktikanten würden immer noch "als billige Arbeitskräfte ausgenutzt".

Tatsächlich gibt es auch der neuen Studie zufolge nicht nur glückselige Gewinner unter den Praktikanten. So hinken zum Beispiel Frauen schon am Anfang des Berufslebens bei der Bezahlung hinterher: 30 Euro weniger springen für sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen heraus. Männer mit einem Master in der Tasche kommen im Durchschnitt auf 829 Euro, mit Bachelor-Abschluss sind es 729 Euro. Am großzügigsten entlohnen die Unternehmen, die in der Marktforschung oder Rechtsberatung tätig sind, am sparsamsten der öffentliche Dienst sowie Firmen in den Sparten Forschung und Lehre.

In der Studie, die die Online-Jobbörse Absolventa und das Beratungsunternehmen Clevis initiierten, wurden zudem Noten für die allgemeine Qualität der Arbeitgeber verteilt: Von Unternehmen mit mindestens 15 Praktikanten erhielten Dell, Südzucker, Wacker Chemie, Porsche und Coca-Cola die besten Zeugnisse. Es folgen Ikea, Freudenberg, Infineon, SAP und BASF. Am schlechtesten schnitten Deutsche Bank, Peek & Cloppenburg, Axel Springer, Axa und Capgemini Consulting ab, gefolgt von der Werbeagentur Serviceplan, BMW, Bosch, Stadtwerke München und Salzgitter.

Nachholbedarf in der Werbebranche

Branchenübergreifend waren Praktikanten, die sich in der Pharmabranche umschauen durften, am zufriedensten: Dort schätzen die jungen Leute vor allem, dass klar umrissen ist, was sie tun sollen. Desaströse Noten gab es hingegen für die Unternehmen aus der Medien-, Marketing- und Werbebranche: Nirgendwo sonst waren die Praktikanten so unzufrieden.

Wolf Ingomar Faecks, Chef des Verbands der Werbeagenturen GWA, gibt sich selbstkritisch: "Wir haben in dieser Hinsicht sicher Nachholbedarf", sagt Faecks. Ein besserer Umgang mit dem Nachwuchs sei auch für die Firmen sinnvoll: "Bei einem Praktikum testen ja nicht nur die Unternehmen potenzielle Mitarbeiter - umgekehrt testen ja auch begehrte Nachwuchskräfte mögliche spätere Arbeitgeber", sagt Faecks. Wer da versage, habe im Werben um die besten Köpfe langfristig schlechte Karten.

Nach früheren Angaben des Bundesbildungsministeriums gibt es in Deutschland im Jahr etwa 170.000 Praktikanten. Vor mehr als fünf Jahren hatten diese ihre Situation weitaus schlechter beurteilt. Danach fühlten sich 30 Prozent der Praktikanten ausgenutzt. Mehr als 100.000 Bürger unterstützten damals eine Petition, um die Rechte von Praktikanten zu verbessern. Der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) plante, das Recht auf eine angemessene Vergütung gesetzlich festzuschreiben. Er scheiterte damit jedoch am Widerstand der Wirtschaftsverbände und des damals von Annette Schavan (CDU) geführten Bundesbildungsministeriums. Ihr Hauptargument: Die Unternehmen stellen dann keine Praktikanten mehr ein.

Es gilt deshalb als wahrscheinlich, dass es für diese jungen Leute beim geplanten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro Ausnahmen geben wird. Dies steht nicht im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Die Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen schlug aber vor, keinen Mindestlohn für Praktikanten vorzuschreiben, "die ihr Praktikum im Rahmen einer Schul- oder Studienordnung absolvieren, sowie für Schüler bis zum Ende der Schulpflicht."

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