Schulungen für Hartz-IV-Empfänger:Öffentliche Geldverbrennung

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Die Bundesagentur für Arbeit steckt Millionen in die Schulung von Hartz-IV-Empfängern. Doch gerade diese Maßnahmen verpuffen oft.

Jutta Göricke

"Wenn Sie sich waschen und rasieren, finden Sie auch einen Job!" Das sagte Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, vor drei Jahren auf dem Wiesbadener Sternschnuppenmarkt zu Henrico Frank, leicht alkoholisierter Hartz-IV-Empfänger.

Hartz IV bleibt weiterhin eine Baustelle: Viele Trainingsmaßnahmen für Arbeitslose erhöhen die Beschäftigungsquote nicht (Foto: Foto: dpa)

Frank nahm das Ganze als Bewerbungstraining im Turboformat: Er machte kurzen Prozess mit dem Bart und ist heute Festangestellter eines Frankfurter Fernsehsenders. Beck ließ seinen Bart stehen und stand bald darauf ohne Job da. Zumindest SPD-Vorsitzender war er nicht mehr.

Kurze Bewerbungstrainings und Eignungstests sind seit Einführung von Hartz IV das am häufigsten eingesetzte Instrument, um Langzeitarbeitslose in eine reguläre Beschäftigung zurückzubringen - nach den Ein-Euro-Jobs. Doch verpufft die Wirkung solcher schulischen Maßnahmen - anders als bei der Spontanheilung des Ex-Bartträgers Frank - fast völlig.

Das zeigt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. "Im Schnitt haben diese Trainings keinen vorteilhaften Effekt auf die spätere Beschäftigungsquote", sagt IAB-Experte und Mitautor der Studie Joachim Wolff. Viel besser schneiden laut Studie Maßnahmen ab, die betrieblich eingebunden sind, Praktika zum Beispiel.

Das Institut hatte geprüft, ob Hartz-IV-Empfänger nach einem Bewerbungstraining eher einen regulären Job finden als Arbeitsuchende ohne Training. Das Ergebnis: Die Aussichten auf ein stabiles Arbeitsverhältnis steigen durch ein Bewerbungstraining in der Regel nicht.

"Personen gefördert, die es nicht brauchen"

Im Gegenteil, die Teilnehmer fanden sogar seltener als Hartz-IV-Bezieher ohne Training eine Beschäftigung, die mindestens ein Jahr dauerte. Bei Männern und Frauen im Westen gab es keine Veränderung hinsichtlich einer längerfristigen Beschäftigung. Im Osten sanken die Werte auf fast minus drei Prozent bei den Männern und auf minus 1,4 Prozent bei den Frauen.

Ein Grund dafür könne sein, dass die vermittelten Inhalte möglicherweise zu wenig auf die einzelnen Teilnehmer zugeschnitten seien, sagt Wolff. So legten die Daten nahe, "dass da zum Teil Personen gefördert werden, die es nicht brauchen".

Ein Bewerbungstraining sei zwar eigentlich sinnvoll für Arbeitslose, die entweder noch keine oder jahrelang keine Erfahrung mit Bewerbungssituationen hatten. Denn sie wüssten oft nicht, wie ein Lebenslauf heutzutage aussieht oder wie man ein Vorstellungsgespräch führt. Dennoch haben die Trainings ausgerechnet dieser Gruppe in Hinblick auf eine Beschäftigung nichts gebracht.

Nur unwesentlich besser sieht die Bilanz für weitere Maßnahmen aus, die in schulischem Rahmen stattfinden, die Vermittlung von Computerkenntnissen etwa. Da steigen die Einstellungschancen im Vergleich zu Arbeitslosen, die sich an keiner Maßnahme beteiligt haben, aber immerhin um gut vier Prozent.

Praxisphase im Betrieb

Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn ein Eignungsfeststellungstest, mit dem Kompetenzen des Teilnehmers identifiziert werden sollen, betrieblich eingebunden ist oder die Kandidaten gar bei einem Praktikum ihren Kenntnisstand erweitern und sich beweisen können. Das erhöht laut IAB-Studie die Beschäftigungschancen von Hartz-IV-Empfängern erheblich.

Verglichen mit ähnlichen Arbeitslosen ohne Training liegt die Beschäftigungsquote der Teilnehmer nach 28 Monaten um bis zu 21 Prozentpunkte höher. Eine Praxisphase im Betrieb steigert auch die Aussicht auf eine mindestens zwölfmonatige Beschäftigung um bis zu 19 Prozentpunkte. Der Vorteil sei hier der direkte Kontakt zum potentiellen Arbeitgeber, sagt Wolff. Bisher wird nur etwa ein Drittel der Trainingsmaßnahmen für Hartz-IV-Bezieher in Betrieben angeboten.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat im vergangenen Jahr etwa 184 Millionen Euro in die Qualifizierung von fast 630000 Hartz-IV-Empfängern gesteckt. Davon flossen erstaunlicherweise mehr als150 Millionen Euro in die wenig effektiven schulischen Trainings. Und nur 34 Millionen wurden für Qualifizierungsmaßnahmen in Unternehmen ausgegeben. Muss man das Verhältnis also künftig umkehren?

IAB-Forscher Wolff sagt, er sei zwar "verhalten optimistisch", was die höhere Effizienz innerbetrieblicher gegenüber schulischer Qualifizierung angehe, rechne aber auch mit Mitnahmeeffekten der Firmen: "Möglicherweise werden da Leute übernommen, die man ohnehin eingestellt hätte."

© SZ vom 21.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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