Prozess:Größenwahnsinn

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Kommt es auf die Größe an? Polizisten und Polizistinnen im Einsatz beim Karneval in Düsseldorf. (Foto: Martin Meissner/AP)

Eine 1,61 Meter kleine Frau hat am Dienstag in Düsseldorf vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt, dass sie trotz Regularien zur nordrhein-westfälischen Polizei darf. Die Begründung der Richter aber ist erstaunlich.

Von Michaela Schwinn

Es sind eineinhalb Zentimeter, 15 Millimeter, die in diesem Fall über die Zukunft einer jungen Frau entscheiden könnten. Über ihre Zukunft als Polizistin. Eigentlich hatte die 22-Jährige, um die es in diesem Fall geht, eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht, Anfang des Jahres aber bewarb sie sich bei der nordrhein-westfälischen Polizei. Sie wurde abgelehnt. Zu klein, war die Begründung.

1,5 Zentimeter. Doch damit wollte sich die junge Frau aus Krefeld nicht zufrieden geben. Sie klagte gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Am Dienstagvormittag entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf: Der Ablehnungsbescheid der Polizei wird aufgehoben. Die bisherigen Mindestgrößen für Bewerber in Nordrhein-Westfalen - 168 Zentimeter für Männer, 163 Zentimeter für Frauen - seien unwirksam, so lautete das Urteil. Es verpflichtet das Land, die exakt 161,5 Zentimeter große Bewerberin zum Auswahlverfahren zuzulassen.

Seine Entscheidung begründete der Richter mit dem Prinzip der Bestenauslese: Eignung und fachliche Leistungen müssen entscheidend für die Anstellung als Beamter sein. Ausnahmen davon dürfen nur durch ein Gesetz geregelt sein, da das Prinzip im Grundgesetz verankert ist.

Um festzustellen, mit welcher Größe Polizisten am besten im Dienst zurechtkommen, wurden im Auftrag des Landes 2016 mehrere Studien durchgeführt, unter anderem durch die Sporthochschule Köln. Das Ergebnis: Sowohl Männer als auch Frauen seien ab einer Körpergröße von 163 Zentimetern für die Polizeiarbeit geeignet. Das Gericht sah es jetzt als unzulässig an, dass der Erlass unterschiedliche Anforderungen an weibliche oder männliche Bewerber stelle. Das "benachteilige" Männer, die mit 163 Zentimeter genauso geeignet seien wie gleichgroße Frauen, aber abgelehnt werden, sagte der Pressesprecher des Verwaltungsgerichts.

Ausschlaggebend für das Urteil waren also nicht die 163 Zentimeter, das Mindestmaß für Frauen, sondern das für Männer. Nicht der Fall der Klägerin also, sondern die Ungleichstellung der Männer brachte den Erlass zu Fall. "Nach dem Urteil heute gibt es gar keine Regelung mehr", sagte der Pressesprecher. Die Klägerin hätte also gute Chancen, als Bewerberin für den Polizeidienst zugelassen zu werden.

Vorausgesetzt, der Erlass des Ministeriums bleibt in der jetzigen Form bestehen - und entsprechend unwirksam. Sollte die Mindestgröße von 163 Zentimetern in Zukunft für Männer und Frauen gleichermaßen gelten, sei der Erlass wirksam, sagte der Richter. Dann wären auch Männer nicht länger benachteiligt.

Interessanterweise wurde die Regelung, dass männliche Bewerber größer sein müssen als weibliche, im Jahr 2006 eingeführt, um Frauen nicht zu benachteiligen, da Männer durchschnittlich größer seien.

Das bestätigt auch Victor Ocansey, der Pressesprecher des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten: "Wir wollten niemanden benachteiligen, deswegen gab es die Regelung." Für eine Mindestkörpergröße sprach er sich auch noch nach dem Urteil aus. "Es ist kein Bauchgefühl", sagte er. "Die Grenzwerte beruhten auf zahlreichen Studien." Bei Einsätzen wie dem G-20-Gipfel brauche man "eine robuste und körperliche Präsenz", und diese könne man nur durch diese Anforderung sicherstellen.

Andere Länder, andere Vorschriften

Dabei ist die Körpergröße offenbar nicht in allen Ländern für den Polizeidienst ausschlaggebend. Die Ausbildung der Polizisten ist Ländersache. Und so gibt es in Bremen keine Untergrenzen, in Saarland entscheidet der Amtsarzt im Einzelfall. In Bayern darf sich ein Mann bewerben, wenn er mindestens 165 Zentimeter groß ist; kleinere Bewerber können trotzdem beweisen, dass sie die körperlichen Voraussetzungen erfüllen. In Sachsen reichen übrigens 160 Zentimeter.

So viele Regelungen es in den Bundesländern gibt, so viele Urteile wurden dazu schon gesprochen. 2016 wurde in Gelsenkirchen einem Mann recht gegeben, zwei Zentimeter fehlten ihm für die Bewerbung bei der nordrhein-westfälischen Polizei. Das Urteil des Verwaltungsgerichts, das noch nicht rechtskräftig ist, fiel zu seinen Gunsten aus, weil das Land keine Gründe für die Mindestgröße vorgelegt hatte. Erst nach diesem Urteil veranlasste das Ministerium die neuen Studien. Auch bei einem Fall in Aachen in diesem Jahr wurde eine abgelehnte Bewerberin doch noch zugelassen. Was allerdings bei allen Urteilen betont wurde: Mindestgrößen sind prinzipiell zulässig. Irgendwie kommt es also doch auf die Größe an.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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