Karriere-Tipps:"Werden Sie ruhig ein wenig aggro"

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Nur, wer sich auch mal zu wehren weiß, wird im Job ernstgenommen. (Foto: iStock)

Wer freundlich und fleißig ist, bleibt im Job oft auf der Strecke. Jens Weidner lehrt Manager, aggressiv aufzutreten. Im Gespräch erklärt er, warum Gemeinsein im Beruf Vorteile bringt - und wie man sein Image vom Schäfchen zum Wolf wandelt.

Von Johanna Bruckner

Jens Weidner kennt sich aus mit fiesen Typen. In seinem Büro hängen Fotos, die ihn mit Mitgliedern einer New Yorker Jugendgang zeigen. Der Hamburger Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie hat ein Anti-Aggressivitäts-Training entwickelt, mit dem unter anderem Gewalttäter in Deutschland und der Schweiz behandelt werden. In seinem neuen Buch "Hart, aber unfair" gibt er Arbeitnehmern Tipps, wie sie ihre Nettigkeit ablegen und ihre gemeine Ader im Sinne der Karriere einsetzen.

SZ.de: Herr Weidner, Sie haben ein Programm entwickelt, mit dem Menschen ihre Aggressionen abbauen sollen. Ihr Buch trägt den Untertitel "ein gemeiner Ratgeber für Arbeitnehmer". Wie passt das zusammen?

Jens Weidner: Ich habe vor einigen Jahren einen Anruf vom Direktor eines Schweizer Wirtschaftsinstituts bekommen. Der sagte zu mir: "Wir haben im deutschsprachigen Raum jede Menge Leute, die sehr gut qualifiziert sind. Das Problem ist nur: Sie sind einfach zu nett. Sie bleiben mit ihren guten Ideen auf der Strecke, weil sie sich nicht durchsetzen können. Kannst du da was machen?" Er hatte die Idee, dass man mein Programm für Straftäter auch auf aufstrebende Berufstätige und Führungskräfte anwenden könnte - nur mit umgekehrter Wirkrichtung. Also habe ich ein Programm entwickelt, das Managern hilft, ihre Durchsetzungskraft zu stärken. Irgendwann habe ich mir dann die Frage gestellt: Warum soll dieses Aufstiegswissen Arbeitnehmern vorenthalten werden?

Ein gutes Büroklima gilt doch aber mit als höchstes Gut im Job. Jagen wir da einer Illusion hinterher?

Keineswegs. Die meisten Menschen gehen im Job respektvoll und höflich miteinander um und sind nicht ausschließlich am eigenen Nutzen interessiert. Aber viele Arbeitnehmer machen eben auch immer mal wieder die Erfahrung, dass sie mit einer guten Idee ausgebremst oder übervorteilt werden. Dafür verantwortlich sind einige wenige Kollegen - doch diese seltenen Fieslinge können einem das Berufsleben ganz schön schwer machen. Je früher man sie erkennt, desto besser. Besonders häufig begegnet man machtbewussten, nur auf den persönlichen Vorteil bedachten Charakteren auf höheren Hierarchieebenen. Mit Nettigkeit kommt man bei denen nicht mehr weiter. "They take kindness for weakness", heißt es im Englischen treffend.

Viele Arbeitnehmer trauen sich nicht, sich gegen fiese Chefs oder Kollegen zu wehren, weil sie berufliche und oder soziale Konsequenzen befürchten. Sie sagen aber: Diese Angst ist unbegründet.

Es ist wichtig, sein berufliches Umfeld zu analysieren. Wer hilft mir, selbst wenn ich mal Fehler mache? Wer verhält sich mir gegenüber neutral? Aus diesen beiden Gruppen kann ich auf Unterstützung hoffen - nett und fair zu sein, lohnt sich hier also. Zuletzt sollte ich mich fragen: Wer arbeitet gegen mich, auch wenn ich einen guten Job mache? Wer lässt mich im Regen stehen, wenn es hart auf hart kommt? Diese zwei, drei Personen, die mir bisher Steine in den Weg gelegt haben, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht plötzlich meine größten Förderer oder besten Freunde werden. Ich muss also keine Angst haben, dass mein Verhalten ihnen gegenüber negative Konsequenzen nach sich zieht, denn das Verhältnis ist ja schon schlecht. Allerdings sollte ich meine Gegenspieler besser frühzeitig bremsen, sonst aktivieren sie womöglich noch ihr Netzwerk gegen mich - und das kann dann schnell Richtung Mobbing gehen. Daher meine Empfehlung: Werden Sie ruhig ein wenig aggro!

Wie verhalte ich mich gemein, ohne dass es am Ende auf mich zurückfällt?

Indem ich im Umgang mit den betreffenden Personen zurückhaltend kühl, streng, auch mal bissig bin. Wichtig ist: Wenn ich von einem meiner Gegenspieler öffentlich angegangen werde, sollte ich unbedingt einen kühlen Kopf bewahren und mich nicht zu einer unüberlegten Reaktion provozieren lassen. Ich rate dringend davon ab, nach einer Anfeindung im Meeting vor versammelter Mannschaft die Klingen zu kreuzen. Denn in der Regel hat sich mein Kritiker gut vorbereitet. Ein spontaner und vermutlich emotionaler Konter meinerseits wird gegen seinen wohldurchdachten Angriff abfallen oder abermals erwidert werden. Zum Beispiel mit einem stichelnden: "Warum reagieren Sie denn so gereizt?" Da besteht dann schnell die Gefahr, aus Ärger übers Ziel hinauszuschießen. Mein Buch empfiehlt, geduldig zu sein - man begegnet sich immer zweimal im Leben.

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Wie reagiert man am besten in der Situation?

Ich kann meinem Kritiker beispielsweise nüchtern entgegnen: "Das ist eine wichtige Rückmeldung, die Sie mir gegeben haben - darüber werde ich nachdenken." Und dann wende ich die Aufmerksamkeit sofort wieder von ihm ab, beuge mich über meine Notizen oder mein Tablet, sodass er keine weitere Möglichkeit hat, mit mir zu kommunizieren. Später kann ich das Vier-Augen-Gespräch mit der betreffenden Person suchen und klipp und klar machen: Einmal und nie wieder. Wirkungsvoll ist auch, wenn Sie Ihre Erwiderung dezidiert per Mail nachreichen. Am besten unterfüttern Sie Ihre Antwort mit Bild- und Video-Anhängen und spammen Ihrem Widersacher damit schön das Mailfach zu.

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Zurückschlagen ist die eine Sache, Sie plädieren daneben aber auch für "präventives Erschrecken". Was steckt dahinter?

Wenn Ihre Kollegen Sie für den Schäfchen-Typ halten, der nicht nein sagen kann und alles mit sich machen lässt, werden sie Sie mit Arbeit zuschütten. Ehe Sie sich's versehen, machen Sie jeden Tag Überstunden, arbeiten natürlich auch am Wochenende - bis Sie gesundheitlich am Stock gehen. Wenn Ihr berufliches Umfeld dagegen den Eindruck hat, dass Sie nach Ärger riechen - bzw. welchen machen können, wenn Sie wollen -, wird man Ihnen mit mehr Respekt und Höflichkeit begegnen. Jetzt werden Sie einwenden: Aber wenn ich nun mal ein netter Mensch bin, dem nichts ferner liegt als ein "Nein"? Nun, dann müssen Sie sich eben das Image geben, dass Sie auch strenger sein können, wenn Sie wollen.

Wie funktioniert das?

Ein Beispiel aus meiner Seminarpraxis: Ein junger Mann wurde hinter seinem Rücken als "Weichei" stigmatisiert. Wie er herausfand, hatte das überhaupt nichts mit seiner Fachkompetenz und nicht mal etwas mit seinem Auftreten zu tun, sondern einzig mit seiner Physiognomie: Er hatte schwülstige Lippen. Nun war der junge Mann auch hobbymäßig Motocross-Fahrer. Auf seinem Handy hatte er Fotos, die ihn bei einem waghalsigen Sprung mit seinem Motorrad und dann am Boden liegend, mit blutiger Nase und zerschrammtem Gesicht zeigten. Ich habe ihm geraten, diese beiden Aufnahmen vergrößern und rahmen zu lassen und über seinem Schreibtisch aufzuhängen. Jeder, der von nun an in sein Büro kam, starrte ungläubig auf die Bilder und fragte ehrfürchtig: "Sind Sie das etwa?" Die Stimmung ihm gegenüber war sofort eine andere, weil er dank der Fotos plötzlich nicht mehr als Weichei, sondern als mutiger Mann wahrgenommen wurde.

Haben Sie allgemeine Tipps, wie sich Schäfchen als Wolf tarnen können?

Ganz wichtig: Machen Sie Schluss mit dem vorauseilenden Gehorsam! Sagen Sie bei Arbeitsaufträgen, auf die Sie keine Lust haben, nur noch mürrisch zu. Arbeiten Sie etwas weniger präzise und brauchen Sie immer einen Tick zu lange. Viele Schäfchen werden diese strategische Nachlässigkeit erst üben müssen, weil sie perfektionistisch veranlagt sind. Aber nur so werden sie ihren Ruf als Abladestelle für unliebsame Jobs los. Ein weiteres Problem zu netter Arbeitnehmer ist: Sie reiben sich für den Job auf, scheuen sich aber zu sagen, dass sie gute Leistung abliefern. Wir nennen das das "Dornröschen-Syndrom" - diese Menschen wollen in ihrer Schönheit wachgeküsst werden. Doch so genau schauen die wenigsten Chefs hin. Deshalb: Trainieren Sie zu sagen, dass Sie etwas gut können oder gut gemacht haben. Es lohnt sich!

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