Jungunternehmer nach dem Studium:Dank Gründerförderung das eigene Ding machen

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Wer sich mit einer Idee selbständig macht, die er im Studium entwickelt hat, wird großzügig gefördert. Das Gute dabei: Die Jungunternehmer tragen fast kein Risiko. Die unterstützten Projekte müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Philipp Alvares de Souza Soares

Das Hemd sieht toll aus. Es hat genau die richtige Farbe, ist nicht zu teuer und in zehn Größen vorrätig. Doch ob es auch passt? Wer Kleidung im Internet bestellen will, steht oft vor einem Problem: Woher weiß man, ob das Hemd wirklich gut sitzt? Einheitsskalen sind meist trügerisch, unterscheiden sich doch die Schnitte von Hersteller zu Hersteller. Der Berliner Sebastian Schulze und seine drei Partner waren der Meinung, dass das nicht so bleiben muss. Ihre Idee: Ein Programm, dass die Größe des Kunden via Webcam ausmisst und ihm die Artikel zeigt, die ihm perfekt passen.

Wer sich mit einem Projekt selbständig macht, das er im Studium entwickelt hat, wird großzügig gefördert. (Foto: dpa)

Kennengelernt haben sich die vier Berliner erst im vergangenen Jahr. In der letzten Woche waren sie auf einer Messe in Peking und haben dort ihr Konzept präsentiert. "Wir haben super Feedback bekommen", sagt Schulze, sogar das amerikanische Fernsehen habe über sie berichtet. Momentan läuft eine "Betaphase", in der interessierte Kunden von Berliner Modelabels das System testen können. Upcload, wie Schulzes Start-up heißt, hat anscheinend genau in eine Marktlücke gestoßen. Mehrere Online-Shops haben schon ihr Interesse bekundet und zum Teil sogar Geld für die Weiterentwicklung vorgeschossen.

Diesen Traumstart haben die Jungunternehmer auch einem Förderprogramm zu verdanken, dass es Gründern in der Anfangsphase besonders leicht macht: Das Exist-Gründerstipendium, finanziert von Bundeswirtschaftsministerium und Europäischem Sozialfonds, nahm Schulze und seinen Mitstreitern viele finanzielle Sorgen. Während die Bundesregierung gerade den Gründungszuschuss für Arbeitslose gekürzt hat, ist die Unterstützung für Selbständige aus dem akademischen Umfeld nach wie vor üppig. 2000 Euro monatlich bekommen junge Gründer ein Jahr lang bei Exist, plus Zuschüsse für Coaching und Sachausgaben. Fast 100.000 Euro werden es bei Upcload bis zum Jahresende sein. Dazu kommen Büroräume, die ihnen die Humboldt-Universität für den Förderzeitraum kostenlos zur Verfügung stellt.

Man habe bei Exist zunächst "fast kein Risiko", sagt Schulze. Die Förderung muss nicht zurückgezahlt werden und man kann erst einmal ohne Existenzsorgen daran arbeiten, die eigene Idee zu einem marktfähigen Produkt zu entwickeln. "Allerdings darf man sich dann natürlich nicht zurücklehnen", schränkt Schulze ein, sonst könne die Risikolosigkeit schnell eine lähmende Wirkung entfalten. Existenzgründer dürften sich nicht verzetteln, sie sollten erstmal das machen, was realistisch und wichtig ist - und hier aber alle Energie investieren.

Für Upcload heißt das: Zunächst wird das Programm nur den Oberkörper ausmessen können, die restlichen Körperteile kommen später hinzu. Die kniffligste Aufgabe sei die Hose, sagt Betriebswirt Schulze. Denn hier gelte es, besonders viele unterschiedlichen Präferenzen und Variationen zu berücksichtigen. Daher brauche der entsprechende Programmteil mehr Zeit. "Bei T-Shirts ist das bedeutend einfacher."

Waldemar Kornewald ist Physiker und konnte zusammen mit zwei ehemaligen Kommilitonen ebenfalls ein Gründerstipendium ergattern. Die drei Göttinger programmieren an einer Software mit dem Projektnamen "Floqus", die dem mühsamen Basteln von Flussdiagrammen und Ideenskizzen am Computer ein Ende bereiten will. "Floqus führt Stift und Papier ins digitale Zeitalter", sagt Kornewald, "Ideen und Konzepte sollen sich damit so einfach visualisieren lassen, wie auf einer Tafel, nur mit dem Vorteil, dass man sie dann digital bearbeiten und weiterverwenden kann." Das Programm soll Wisch- und Zeichenbewegungen auf Tablet-PCs direkt in die entsprechende Form übersetzen und als Objekt etwa in Powerpoint-Präsentationen nutzbar machen.

Für Kornewald hat das Exist-Stipendium ebenfalls nur Vorteile: Wenn man eine gute Idee hat, komme man so relativ einfach an Kapital, ohne gleich Firmenanteile an einen Investor abtreten zu müssen. Bedingung ist allerdings, dass das Produkt überhaupt eine Chance hat, einmal einen Käufer zu finden. Mit der Bewerbung muss auch ein vereinfachter Businessplan eingereicht werden. Außerdem müssen zumindest Teile der Geschäftsidee an einer Hochschule entwickelt worden sein. Kornewald und seine Kollegen haben etwa die grundlegenden Algorithmen für ihre Software im Rahmen ihrer Diplomarbeiten entwickelt. Ihr ehemaliger Professor steht den Physikern als Mentor zu Seite.

Das Exist-Programm wurde 1998 ins Leben gerufen, das Gründerstipendium kam erst später hinzu. Ziel sei die "Verankerung einer Gründungskultur an deutschen Hochschulen" gewesen, sagt Dietrich Hoffmann, der das Projekt beim Träger, dem Forschungszentrum Jülich, betreut. Im angelsächsischen Raum sei so ein Klima schon seit Jahrzehnten vorhanden. Dank Exist ist dies laut Hoffmann nun auch in Deutschland der Fall.

743 Gründungen habe man bereits gefördert. Nur was passiert, wenn die jungen Gründer nach einem Jahr noch nicht auf eigenen Beinen stehen können? Schließlich findet nicht jeder gleich einen interessierten Geldgeber. "Es gibt dann die Möglichkeit einer Anschlussfinanzierung durch uns", sagt Hoffmann. Allerdings haben erst 30 Exist-Projekte eine solche in Anspruch genommen. Normalerweise versuche man, von Anfang an nur solche Projekte zu fördern, die erwarten lassen, dass sie nach einem Jahr alleine über die Runden kommen.

Das hoffen die Göttinger Physiker ebenfalls. Im vergangenen Mai begann ihre Förderung, bald soll die offizielle Firmengründung folgen. Der Weg in die Selbständigkeit war vor allem für Kornewald schon immer ein Traum: "Ich wollte etwas machen, was mich wirklich interessiert und für mich selbst arbeiten." Dafür nimmt er auch gern einen geringeren Verdienst in Kauf. In der freien Wirtschaft hätten er und seine Partner leicht mehr als 3000 Euro brutto verdienen können.

Kornewald arbeitet schon seit einiger Zeit auf Auftragsbasis als Programmierer und hatte in seinem E-Mail-Postfach sogar auch ein Angebot von Google, dem Traum-Arbeitgeber vieler Absolventen. "Das war schon irgendwie verlockend, aber ich wollte lieber mein eigenes Ding machen", sagt der 27-Jährige. Die risikolose Exist-Förderung hat die Entscheidung zusätzlich einfacher gemacht.

© SZ vom 12.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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