Jobsuche:Spielraum für Verhandlungen

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Manche Firmen brauchen so verzweifelt Fachkräfte, dass sie sogar Berufseinsteigern einen Dienstwagen bieten. (Foto: Christin Klose/dpa)

Der Fachkräftemangel betrifft viele Branchen und verändert so die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Wie Bewerber davon profitieren können.

Von Sarah Thust/dpa

Mancher Arbeitnehmer wünscht sich vielleicht eine kostenlose Kinderbetreuung. Der nächste mehr Freizeit, eine bessere Altersvorsorge - oder ein Schwimmbad im Büro. Klingt nach Wunschdenken? Nicht unbedingt: Wo Fachkräftemangel herrscht, haben Bewerber durchaus gute Aussichten auf Zusatzleistungen.

Da sind zum Beispiel Ausbildungsberufe wie Erzieher, Pflegekräfte, Maschinenbauer oder Handwerker, in denen Bewerber fehlen. Während eine offene Stelle in der Regel nach 100 Tagen besetzt werden kann, suchen Arbeitgeber in der Altenpflege durchschnittlich 167 Tage nach einem neuen Mitarbeiter. Im Bereich Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klima dauert es 156 Tage, wie eine Studie der Bundesagentur für Arbeit zeigt.

Für Bewerber ist das eine Chance: Einige Betriebe zahlen mehr als die branchenüblichen Gehälter und Tarife, um gute Fachkräfte zu gewinnen und an ihren Betrieb zu binden. Darauf weist der Zentralverband des Deutschen Handwerks hin. Manche Branchen haben bereits die Vergütungen für Auszubildende erhöht, etwa der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen. Dort sei die Bezahlung zwischen September 2011 und September 2017 um mehr als 40 Prozent in Westdeutschland und um fast 60 Prozent in Ostdeutschland gestiegen.

Noch deutlicher wird der Wandel des Arbeitsmarkts durch den Fachkräftemangel, wenn es um die begehrtesten Akademiker geht: Manche Ingenieure, IT-Fachkräfte oder Naturwissenschaftler sind inzwischen so nachgefragt, dass sie sich Privilegien aussuchen können. Freizeit ist dabei oft am begehrtesten - nicht Geld. Eine Erhebung der Unternehmensberatung Kienbaum, für die mehr als 1000 Unternehmen zu ihren Lockangeboten befragt wurden, ergab: Arbeit von zu Hause aus oder Sabbaticals stehen hoch im Kurs. "Viele Arbeitnehmer legen Wert auf eine gute Work-Life-Balance, das heißt vernünftige Arbeitszeiten, Chancen für ein Sabbatical oder auf gute Weiterbildung", bestätigt Maike Rademaker vom Deutschen Gewerkschaftsbund.

Selbst Berufseinsteiger können davon profitieren. Das zeigt eine Befragung von Kienbaum und dem Staufenbiel-Institut unter 297 Unternehmen. "Die fünf häufigsten Vorteile, die potenzielle Arbeitgeber Hochschulabsolventen anbieten, sind flexible Arbeitszeiten, betriebliche Altersvorsorge, Homeoffice, ein Firmen-Smartphone und ein erfolgsabhängiger Bonus", sagt Thomas Friedenberger, Karriereberater beim Staufenbiel-Institut.

Nur wenige Arbeitgeber bieten solche Vorteile allerdings von sich aus an. Bewerber müssen konkret nachfragen - und zwar am besten nach dem Vorstellungsgespräch. Ist das erfolgreich und der Arbeitgeber interessiert, sollte man nie sofort zustimmen. "Sagen Sie zum Beispiel: Ich denke darüber nach", sagt Friedenberger. Wie flexibel der Arbeitgeber bei den Verhandlungen ist, hat unter anderem damit zu tun, wie groß der Fachkräftemangel und damit die Not ist. Wer das bereits weiß und sich vielleicht sogar bei Mitarbeitern des Unternehmens informieren konnte, kann seine Verhandlungsstrategie entsprechend anpassen.

Bewerber sollten sich in Ruhe überlegen: Gefallen mir die Aufgaben im Job? Ist das Gehalt angemessen? Welche Argumente habe ich dafür, ein höheres Gehalt oder andere Leistungen zu bekommen? "Dann nimmt man den Telefonhörer in die Hand, ruft an und kann nachverhandeln", sagt Friedenberger. "Sie können beispielsweise sagen: Das Gehalt scheint mir zu wenig, ich würde gerne so und so viel verdienen. Ich halte das für angemessen, weil ..." Dann werde verhandelt, "und man trifft sich in der Mitte".

Gibt es keinen Spielraum beim Gehalt, signalisiert das der Arbeitgeber in der Regel. An dieser Stelle können Bewerber andere nützliche Vorteile ansprechen. Statt mehr Geld gibt es vielleicht ein Jobticket, einen Firmenparkplatz oder etwas für die Altersvorsorge. Je nach Branche können Fachkräfte auch Arbeitstage im eigenen Heim oder zusätzliche Urlaubstage aushandeln. Viele Arbeitgeber passen sich an die Lebenssituation an - zum Beispiel in Sachen Kinderbetreuung. "Generell sollte man niemals sofort auf das erste angebotene Gehalt eingehen. Nehmen Sie sich Zeit", sagt Karriereberater Friedenberger. "Später können sie immer noch zustimmen, weil der Arbeitgeber sagt, dass es keine andere Möglichkeit gibt."

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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