Job:Bücher für Bürohasser

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Eine Auswahl der genervten Büro-Ratgeber (Foto: N/A)

Bücher über schreckliche Chefs und blöde Kollegen füllen ganze Regale. Warum sind diese Ratgeber alle so schlecht gelaunt?

Von Christian Mayer

Vielleicht muss mal jemand ein Buch darüber schreiben, wie gerne manche von uns das machen, was wir machen müssen. Wie schön die Arbeit sein kann, sogar am Montagmorgen. Der glatzköpfige Pförtner öffnet einem sofort die Schranke, weil man schon wieder seine Zugangskarte vergessen hat, die steckt im falschen Sakko. Der Pförtner kennt das, er hat Verständnis für Trotteligkeiten aller Art. In der Arbeit trifft man dann freundliche, mehr oder minder motivierte, teilkompetente, klatschsüchtige und kapriziöse Kollegen, deren Schrullen man aber zu schätzen weiß. Dem einen fällt die kaputte Lesebrille von der Nase, die andere erkennt man schon auf 25 Meter, weil ihre High Heels so laut klacken. Der eine trägt ausschließlich T-Shirts mit Superhelden-Comics, der andere hält sich eine ganze Menagerie von Stofftieren im Schrank, und ein besonders geschätzter Kollege kann es nicht lassen, auch in diesem Jahrtausend sexuell unkorrekte Witze zu erzählen: Aber sind sie alle mit all ihren Macken nicht wunderbar?

Am frühen Nachmittag steht man dann in der Cafeteria, und die Frau mit der weißen Schürze zaubert ein Lächeln auf den Cappuccino. Oder ein Herz, mit leichter Hand in den Milchschaum gemalt - sie bringt damit nur die Freude darüber zum Ausdruck, hier zu sein, an diesem Ort. Ja, die Arbeit kann man schön finden, wenn man das Glück hat, sich prinzipiell mit ihr anfreunden zu wollen.

In der Welt der Bürohasser sind solche Kollegen nicht vorgesehen. Es ist ja alles ganz schrecklich, wenn nicht gerade Wochenende ist, das Wochenende hat ja immer noch den Status einer Glücksinsel im Ozean des Elends. Jedenfalls sehen die Bürohasser das so, für die der Buchmarkt ein eigenes Genre erfunden hat.

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"Menschen, die durchdrehen, kommen ins Irrenhaus. Mitarbeiter, die durchdrehen, arbeiten schon für eines": ein Bestseller.

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"Das beste Mittel gegen auf Bürofluren marodierende Kollegen ist immer noch: Beschäftigung": Das Bastelbuch verspricht Linderung.

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"Wer träumt nicht davon, im Lotto zu gewinnen, um dann nie wieder arbeiten gehen zu müssen?": Die Hölle, das sind wir.

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"Wir alle könnten ein Paradies auf Erden haben": Leider hindern uns die bösen Kapitalisten am glücklichen Arbeiten.

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"Niemand wird wegen fachlicher Qualitäten befördert": Ein Brevier für Schwarzseher und Berufspessimisten.

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"Es gibt tausend Wege, die richtigen Bewerber zu vergraulen und die falschen einzustellen": Teil 2 des Irrsinn-Reports.

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"Um den Überblick nicht zu verlieren, muss man ab und zu die Arbeit ruhen lassen": Dieser Kalender stimmt optimistisch.

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"Pausen sind wie Schwänze - je länger, je besser": Der Büroschreck Stromberg hat jede Menge solcher Sprüche drauf.

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"Häufig entlädt sich Büroärger in satten Flüchen, Verwünschungen, Schimpfwörtern": Dieses Lexikon ist voll davon.

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"Hände weg von zwanghaften Lästermäulern! Man kann sicher sein, dass man als Nächster dran ist": Gut gebrüllt, Papiertiger.

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"Immer weniger Menschen sind bereit, sich sinnlos zu verausgaben": Zur Abwechslung ein eher nachdenkliches Buch.

Die meisten dieser Arbeit-ist-schrecklich-Bücher zählen eigentlich gar nicht zur Ratgeber-Literatur, weil sie die Missstände nur auflisten, statt Empfehlungen zu geben, was man besser machen könnte. Hoffnung gibt es ja ohnehin keine, zwischen Kaffeemaschine und Konferenztisch herrschen Anarchie und Frust, Mobbing und Alkoholismus. Büroklammeraffen unter sich: schon seltsam, dass sich da so viele Leser angesprochen fühlen.

Nehmen wir mal das Buch "111 Gründe, seine Kollegen zu hassen". Auf jeder Seite ein neues Debakel, eine neue Gemeinheit, das Schreckensregime im Büro erinnert an die Fernsehserie "Stromberg", die allerdings deutlich lustiger war. Die arbeitenden oder Arbeit vortäuschenden Menschen ähneln den vertrockneten Pflanzen in abgewickelten Abteilungen, um es in der Sprache der Bürohass-Literatur zu formulieren. Eine tiefe Traurigkeit, die nur unzureichend als Satire getarnt ist, zieht sich durch die Bücher. Titel wie "Willkommen in der Bürohölle" oder "Kollegen sind die Pest" arbeiten nach dem gleichen Muster, sie gehen davon aus, dass die Leser so neurotisch sind wie die Typen in den Büchern.

Grund für das schlechte Betriebsklima ist natürlich immer der Chef, der das Gruselkabinett seiner Belegschaft herrlich inkompetent in den Untergang führt. "Warum machen die Wendehälse in den Irrenhäusern Karriere? Weil ihnen nichts im Weg steht, am wenigsten ihr Charakter; und weil sie ihre Meinung so lange wechseln, bis sie kein Millimeter mehr von der obersten Irrenhaus-Direktion trennt": Das ist ein typischer Befund, beliebig variabel.

Vergleicht man diese Typologie einmal mit der realen Arbeitswelt in Deutschland, stellt man schnell fest: So schlimm ist es ja gar nicht. Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2013 war nur jeder achte Mitarbeiter mit seinem Job unzufrieden, die meisten Büromenschen fanden ihre Arbeit irgendwie doch ganz sinnvoll, jeder zweite Befragte gab sogar an, "besonders zufrieden" mit seiner Jobsituation zu sein. Auch als Partnerbörse ist der Arbeitsplatz noch immer unschlagbar, was aus Sicht der Paarungswilligen doch eher dafür spricht, dass in der Firma nicht nur Idioten unterwegs sind.

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Natürlich gibt es auch Firmen, in denen Chefs ein Klima der Angst verbreiten, in denen es ein Hauen und Stechen gibt und manchmal sogar einen organisierten und von oben gedeckten Betrug, wie man bei der VW-Affäre um manipulierte Abgaswerte lernen konnte: Aber das sind doch eher Ausnahmen als die Regel, kein Grund für einen flächendeckenden Pessimismus.

Zum Glück gibt es im weiteren Umfeld der Büro-Ratgeber ein paar löbliche Ausnahmen. Zum Beispiel das Buch "Unternehmen Wahnsinn - Überleben in einer verrückten Arbeitswelt" der Organisationsberaterin Theresia Volk. Anders als der Titel vermuten lässt, beschränkt sich die Autorin nicht darauf, die Schuld immer bei den anderen zu suchen. Sie schickt die Mitarbeiter lieber in eine Therapie. Und sie rät auch mal dazu, die Arbeit sein zu lassen, wenn der Druck zu groß wird. Gute Idee! Volk hofft auf die Lernfähigkeit und das eigenständige Denken, ohne dass gleich wieder ein Karriere-Coaching in fünfzig Schritten daraus wird.

Das Büro ist die Hölle? Nur wenn wir es dazu machen.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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