Islam-Lehre an deutschen Unis:Professoren fürchten ihre Glaubensbrüder

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Deutsche Universitäten sollen Islamlehrer ausbilden - doch selbst Muslime untereinander streiten darüber, wie die Lehre aussehen soll.

Roland Preuß

Wenn Havva Yakar eine neue Klasse hat, warnen sie die Schüler schon einmal vor der Hölle - weil sie kein Kopftuch trägt oder weil sie den Koran anfasst, ohne sich zuvor rituell gewaschen zu haben. Die Kölner Islamkunde-Lehrerin muss dann erst einmal traditionelle Vorstellungen zurechtrücken, ehe sie von den Schülern als Autorität akzeptiert wird. Yakars Erfahrungen illustrieren den Gegensatz zwischen volkstümlicher Islam-Vorstellung, wie sie in vielen Zuwandererfamilien gepflegt wird, und einem aufklärerischen Blick, der den Islamunterricht an den Schulen leiten soll. Hierfür bräuchten die Lehrer dringend Unterstützung durch islamische Theologen an den Hochschulen, sagte Yakar auf einer Tagung des Wissenschaftsrates vergangene Woche in Berlin.

Moschee-Vereine könnten in Zukunft Einfluss auf die Universitäten nehmen. (Foto: dpa)

Auf dem Treffen mit dem Titel "Vielfalt der Religionen - Theologie im Plural" fragten Professoren, Religionsgelehrte und muslimische Verbandsvertreter danach, wie viel Aufklärung es denn sein darf, ehe die Glaubwürdigkeit von Islamlehrern bei den Muslimen in Deutschland leidet, wie die allseits gewünschten islamisch-theologischen Lehrstühle an deutschen Hochschulen aufgebaut und wie die muslimischen Verbände daran beteiligt werden sollen.

Ende Januar hatte der Wissenschaftsrat, in dem Professoren und politische Vertreter von Bund und Ländern sitzen, detaillierte Empfehlungen hierfür herausgegeben. Er schlägt vor, analog zur christlichen Theologie an zwei bis drei Universitäten große Institute für "Islamische Studien" aufzubauen, um in Deutschland Islamlehrer und Imame auszubilden und so die Integration der Muslime zu fördern. Durch Beiräte an den Hochschulen können demnach muslimische Verbandsvertreter, Religionsgelehrte und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens über Lehrpläne und die Berufung der Islam-Professoren mitentscheiden. Nun, bei der ersten direkten Debatte der Vorschläge, zeigte sich: Das Modell ist noch sehr umstritten.

So waren auf den Podien mehrere mäßig begeisterte Professoren zu beobachten, die Angst haben vor einem Mitspracherecht ihrer Glaubensbrüder aus den Muslim-Verbänden. Die Fronten verlaufen ganz ähnlich wie bei der Lehrerin Yakar: zwischen wissenschaftlich interpretierenden Forschern und den volkstümlichen und teils orthodox aufgestellten Moschee-Dachverbänden. Abdullah Takim, Professor für Islamische Religion an der Universität Frankfurt, nannte das Beiratsmodell "keine gute Lösung" und forderte, nur Mitglieder mit theologischer Kompetenz zu berufen.

Der Erlanger Professor für Islamische Religionslehre, Harry Harun Behr, sagte, die Verbände könnten durchaus "sehr übergriffiges" Verhalten zeigen, weil sie Einfluss auf Studienpläne nehmen wollen oder die persönliche Eignung von Professoren prüfen könnten; nämlich, ob dieser nach muslimischen Regeln lebt. Ein Professor, der nicht genannt werden wollte, sagte, die Verbände würden zu sehr auf ihre religiösen Traditionen pochen. "Sie lassen zu wenig Raum für eine historische Interpretation des Koran."

Unter den Muslimen herrscht Uneinigkeit über die Lehre an den deutschen Unis. (Foto: dpa)

Die Angesprochenen beharrten allerdings auf ihrem Alleinvertretungsanspruch für die Muslime in Deutschland, auch in Hochschulgremien. In den Moscheen finde nun einmal das muslimische Leben statt, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Axel Ayyub Köhler. Einzelpersönlichkeiten von außen hätten in den Beiräten islamischer Institute nichts verloren. Eine solche "Sonderregelung bedeutet die Einschränkung der Religionsfreiheit", kritisierte Köhler.

Zusätzlich aufgeheizt war die Stimmung durch die kürzlich veröffentlichte Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer, die einen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und muslimischer Religiosität bei Jugendlichen herstellt und dafür vor allem Imame aus dem Ausland verantwortlich macht, die eine Machokultur förderten. Vertreter des größten Moschee-Dachverbandes Ditib sprachen am Rande der Tagung von einer "Sündenbock-Konstruktion". Die Studie sei methodisch nicht sauber. Die halbstaatliche Ditib erhält ihre Imame vom türkischen Staat. Der Leiter des Ditib-nahen Forschungsinstituts Forege, Hasan Karaca, sagte, die Religiosität der muslimischen Jugendlichen sei mit den gleichen Kriterien gemessen worden wie die der christlichen, etwa anhand des Betens. "Das funktioniert aber nicht."

© SZ vom 21.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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