Hiwi-Initiative:"Studenten haben den Status eines Bürostuhls"

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Michael Grundmann, Hilfskraft an der Uni Frankfurt, spricht über niedrige Löhne, Protestaktionen und die Abhängigkeit von Professoren.

Johann Osel

Zehntausende studentische Hilfskräfte, meist kurz "Hiwis" genannt, gibt es an Deutschlands Hochschulen. Viele Neulinge haben zum Semesterbeginn einen Job an der Uni begonnen, in Laboren, Bibliotheken, an Lehrstühlen oder in den Rechenzentren. Bei allen Vorteilen, auf diese Weise an seinem Studienplatz Geld zu verdienen, gibt es auch Nachteile - und zwar gravierende, wie Michael Grundmann sagt. An der Uni Frankfurt war der Lehramtsstudent über Jahre hinweg an mehreren Stellen als Hiwi im Einsatz. Der 27-Jährige ist in der dortigen Hiwi-Initiative aktiv. Solche Interessensvertretungen gibt es an immer mehr Hochschulen. Vor kurzem hat Grundmann seinen alten Hiwi-Bürostuhl eingepackt und damit auf öffentlichen Plätzen in Frankfurt Stellung bezogen.

Recherche für den Professor oder Nachtdienst in der Bibliothek: Hiwis halten den Betrieb an der Uni am Laufen. (Foto: Foto: AP)

SZ: Was sollte die Aktion mit dem Bürostuhl bedeuten?

Michael Grundmann: Es geht mir darum zu zeigen, dass Hiwis und Bürostühle statusmäßig an den Unis auf einer Ebene liegen. Beides sind Sachmittel, die studentischen Kräfte werden aus den gleichen Töpfen bezahlt wie Schreibtischlampen und Tacker. Das macht sich in der rechtlichen Situation bemerkbar, und auf diese Absurdität will ich hinweisen.

SZ: Ein Hiwi-Job klingt doch erstmal ganz reizvoll: Arbeiten an der Uni und dabei Geld verdienen, es macht sich gut im Lebenslauf und vielleicht kann man gar den Grundstein für eine Promotion legen. Was spricht also dagegen?

Grundmann: Das Problem ist die rechtliche Situation der Tätigkeiten. Hiwis haben keine Personalvertretung, der Personalrat der Universität ist nicht für sie zuständig. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse, meistens Sechs-Monatsverträge, machen vielen zu schaffen. Bei Tutoren gelten die Verträge sogar nur für die Vorlesungszeit - in den Semesterferien muss man sich dann völlig neu orientieren, um finanziell über den Sommer zu kommen. Und da ist natürlich die Entlohnung: Es gibt einerseits hochwertige Jobs, die eindeutig unterbezahlt sind: Tutorien halten zum Beispiel, also Teile der Lehre, die auch in die Benotung einfließen. Andererseits gibt es viele Jobs weit unter Niveau, hier werden Hiwis regulären Arbeitskräften vorgezogen. Freunde von mir haben an der Uni Telefone geputzt und Schrauben sortiert. Bei uns in Frankfurt bekommt jeder Hiwi 8,50 Euro pro Stunde, das ist in dieser Stadt nicht viel - zumal rundherum die Kosten für Miete und Lebensunterhalt in die Höhe schießen.

SZ: Es gibt keinen Tarifvertrag?

Grundmann: In Berlin haben die Hiwis einen eigenen Tarifvertrag erkämpft, der Lohn liegt dort um die elf Euro, die Verträge laufen zwei Jahre. Ansonsten ist die Bezahlung regional zersplittert, Freunde in Jena bekommen etwas mehr als sechs Euro, an der Fachhochschule nur fünf Euro - das ist auch für die Lebenshaltungskosten in Thüringen sehr dürftig. Wir in Frankfurt wollen auch einen eigenen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, eine eigene Personalvertretung und gerechte Entlohnung. Vorstöße wurden bisher aber immer von der Uni-Leitung abgeschmettert.

SZ: Wie wichtig sind Hiwis überhaupt für den laufenden Betrieb einer Uni?

Grundmann: Die Tutorien laufen größtenteils über studentische Kräfte und die Bibliotheken könnten ohne uns gar nicht zu akzeptablen Zeiten geöffnet sein, weil in die Nacht hinein vor allem Hiwis an den Ausleihtheken sitzen. Professoren brauchen die klassischen Hiwis, die ihnen zuarbeiten. Und da wären noch die vielen Studenten in versteckten Ecken, die die IT zusammenhalten und vieles mehr. Es wird unterschätzt, was die Hiwis tatsächlich leisten. Ich selbst war schon an verschiedenen Stellen beschäftigt, ich habe also mitbekommen, wie die Sache läuft. Die Kollegen behandeln einen schon nett, aber es gibt unbestritten Probleme beim Status. Wir hatten vor, einen Hiwi-Streik durchzuführen, was aber leider noch nicht geklappt hat.

SZ: Warum waren die Kollegen nicht mobilisierbar?

Grundmann: Hiwis stecken oft in einer Doppelabhängigkeit: Bei den wissenschaftlich Arbeitenden ist ihr Arbeitgeber etwa ein Professor, bei dem sie später vielleicht Prüfungen oder eine Doktorarbeit schreiben möchten. Da hält man lieber die Klappe und will sich nichts verscherzen. Hiwis lassen sich auch schlecht als Gruppe organisieren, sie sind dafür zu quer verteilt durch den Betrieb, außerdem ist die Fluktuation hoch.

SZ: Was macht dann genau die Frankfurter Hiwi-Initiative?

Grundmann: Wir wollen darauf hinweisen, welche Rechte Hiwis bereits haben und wahrnehmen können. Es gibt etwa einen Urlaubsanspruch, nur wissen das viele nicht. Und die Uni informiert sie darüber nicht. Nach der Information ist der nächste Schritt, dass wir uns für bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung einsetzen. Dazu sind wir auch in Kontakt mit den Gewerkschaften. Demnächst werden wir alle Hiwis zu einer Vollversammlung einladen, um die Leute zu animieren, ihre Beschäftigungsverhältnisse zu hinterfragen.

© SZ vom 30.11.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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