Gleichstellungsreport:In 170 Jahren sind Männer und Frauen am Arbeitsplatz gleichgestellt

Gleichstellungsreport: Besonders in der Politik kann von Gleichstellung keine Rede sein.

Besonders in der Politik kann von Gleichstellung keine Rede sein.

(Foto: AFP)
  • Das Weltwirtschaftsforum hat seinen Gender Gap Report 2016 vorgestellt.
  • Demnach sind Frauen im Jahr 2016 nur zu 58 Prozent gleichgestellt, das ist der schlechteste Wert seit 2007.
  • Deutschland rutscht in dem weltweiten Ranking um zwei Plätze ab auf Rang 13.

Von Ruth Eisenreich und Cerstin Gammelin

Wie wird die Welt wohl im Jahr 2186 aussehen, in 170 Jahren also? So lange wird es dauern, bis Frauen und Männer am Arbeitsplatz gleichgestellt sind, sollte die Entwicklung wie im vergangenen Jahr weitergehen. Das geht aus dem Global Gender Gap Report 2016 des Weltwirtschaftsforums hervor.

Zum Vergleich: 1846, vor 170 Jahren, gab es in den USA noch Sklaven, Deutschland war ein Staatenbund, und in Schottland war eine Frau mit Alexander Graham Bell, dem späteren Erfinder des Telefons, schwanger.

Im vergangenen Jahr ging das Weltwirtschaftsforum noch davon aus, dass die wirtschaftliche Kluft zwischen den Geschlechtern innerhalb von 118 Jahren geschlossen werden könne. Aber seitdem hat sich die Lage verschlechtert: Frauen waren dem Index zufolge im Jahr 2016 nur zu 58 Prozent ökonomisch gleichgestellt, das ist der schlechteste Wert seit 2007. Weltweit verdienen Frauen demzufolge nur gut halb so viel wie ihre männlichen Kollegen, obwohl sie - unbezahlte Arbeitszeit mitgerechnet - im Durchschnitt länger arbeiten. Auch stagniere die Erwerbsquote: Weltweit seien 81 Prozent der Männer erwerbstätig, aber nur 54 Prozent der Frauen. Nur in vier Ländern der Welt - in Jamaica, Kolumbien, Ghana und Barbados - gibt es in Politik, Behörden und Wirtschaft mindestens gleich viele weibliche wie männliche Führungskräfte.

Auch in Deutschland hat sich die Kluft zwischen Männern und Frauen im vergangenen Jahr vergrößert. Erreichte das Land 2015 im Bereich Wirtschaft noch einen Gleichheitswert von 73,7 Prozent, waren es 2016 nur noch 69,1 Prozent. Deutschland hat zwar einige Fortschritte gemacht, den Abstand zwischen den Geschlechtern bei Verwaltungsjobs zu schließen. Ein Drittel der Ämter in Verwaltungen oder Ministerien sind inzwischen weiblich besetzt. In der Wirtschaft hingegen arbeiten immer noch vergleichsweise wenige Frauen. "Deutschland liegt deutlich hinter vergleichbaren Staaten zurück", sagt die Chefin der Gleichstellungsinitiative des Weltwirtschaftsforums, Saadia Zahidi, der SZ.

Nur in vier Ländern sind die Ministerposten in der Politik gleich verteilt

Deutschland habe viel nachzuholen, um Frauen in den Arbeitsmarkt zu bringen, das Land liege in dieser Hinsichtim Vergleich nur auf Platz 19. Noch größer sei das Problem der Bezahlung: "Das durchschnittliche Gehalt für Frauen liegt bei 37 000 US-Dollar jährlich, Männer bekommen dagegen 55 000 Dollar", sagt Zahidi. Während Deutschland dabei sei, die Lücke bei den Dienstleistungsjobs zu schließen, "gibt es keinen Fortschritt bei der Besetzung von Führungspositionen, etwa als Richterinnen, als hohe Beamte oder als Managerinnen. Nur ein Viertel dieser Positionen ist weiblich besetzt."

Skandinavien liegt bei der Gleichstellung vorn

Bei der Erwerbsquote erreichte Deutschland im vergangenen Jahr einen Gleichheitswert von 88 Prozent, beim gleichen Lohn für vergleichbare Arbeit 59 Prozent - das ist jeweils ein hauchdünner Anstieg im Vergleich zu 2015. 100 Prozent bedeuten im Gender Gap Report, dass die Lage von Frauen im jeweiligen Bereich mindestens ebenso gut ist wie die von Männern.

Der Bericht des Weltwirtschaftsforums bewertet jedes Jahr Fortschritte in der Geschlechtergerechtigkeit in den vier Bereichen Bildungsniveau, Gesundheit/Lebenserwartung, wirtschaftliche Beteiligung und politische Mitwirkung.

Demzufolge sind Frauen Männern in den Bereichen Bildung und Gesundheit/Lebenserwartung jeweils zu 96 Prozent gleichgestellt. Am schlechtesten steht es um die politische Mitwirkung. Hier sind Frauen den Männern nur zu 24 Prozent gleichgestellt. So sitzen nur in zwei Ländern der Welt mehr Frauen als Männer im Parlament: In Ruanda und Bolivien.

Die Politik ist aber zugleich der Bereich, in dem die größten Fortschritte erreicht wurden, seitdem das Weltwirtschaftsforum im Jahr 2006 seine Untersuchungen begann. Damals waren Frauen politisch weltweit nur zu 14 Prozent gleichgestellt.

Über alle Bereiche hinweg hat sich die Gleichstellung seit 2006 weltweit stetig verbessert: Von 64,4 auf 68,3 Prozent. Deutschland liegt insgesamt im Jahr 2016 bei 76,6 Prozent - das ist besser als vor zehn Jahren, aber ein Abstieg im Vergleich zu 2015. Insgesamt stehen im diesjährigen Bericht weltweit die skandinavischen Länder Island, Finnland, Norwegen und Schweden am besten da. Auf Platz fünf liegt das ostafrikanische Ruanda.

Deutschland ist seit dem vergangenen Jahr vom elften auf den 13. Platz abgerutscht, liegt damit aber noch vor Frankreich und Großbritannien und deutlich vor den USA, die Platz 45 belegen. Die Region mit der geringsten Geschlechtergerechtigkeit ist der Nahe Osten und Nordafrika, Jemen schneidet unter den 144 überprüften Ländern am schlechtesten ab.

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