Frage an den SZ-Jobcoach:Wie komme ich als Selbständiger an eine feste Stelle?

Bernd R. ist seit 15 Jahren selbständig. Seine Arbeit macht ihm Spaß, doch die Akquise kostet ihn zunehmend Kraft. Hat er mit 47 Jahren noch eine Chance auf eine Festanstellung?

SZ-Leser Bernd R. fragt:

Ich bin 47 Jahre alt und arbeite seit 15 Jahren selbständig als Berater und Projektmanager in Kommunikation, Marketing und Vertrieb. Ich habe ein gutes Auskommen und halbwegs interessante Projekte. Doch das ständige Auf und Ab von Projekt- und Akquisephase kostet mich zunehmend Kraft. Daher denke ich über eine Festanstellung nach. Doch ich habe Bedenken, zu alt zu sein oder nach Jahren als Einzelkämpfer als schwer zu führen zu gelten. Außerdem ist meine formale Qualifikation (mehrere Abschlüsse an Fachakademien) nicht gerade hoch. Andererseits habe ich einige Veröffentlichungen, Auszeichnungen und Zertifizierungen vorzuweisen.

Ist es sinnvoll, in diesem Setting nach einem Job zu suchen?

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr R., die kurze Antwort auf Ihre Frage lautet auf Hanseatisch: Versuch macht kluch. Denn bevor Sie es probiert haben, können Sie ja nicht wissen, ob sich nicht hinter der ersten, zweiten oder zehnten Bewerbung eine perfekt auf Sie zugeschnittene Festanstellung nebst Arbeitsvertrag verbirgt. Wenn Sie also wirklich nicht mehr selbständig arbeiten mögen, ist es absolut sinnvoll, nach einem Unternehmen Ausschau zu halten, das sich an Ihrer Stelle mit den Schwankungen im Geschäftsalltag herumschlägt.

Für ein gleichbleibendes oder auch variables Gehalt arbeiten Sie dann Kundenprojekte ab - hoffentlich ebenso gut, wie Sie es bisher getan haben. Den Gewinn kalkuliert und kassiert allerdings dann auch der Arbeitgeber. Das ist der Preis, den Sie für Ihre finanzielle Sicherheit bezahlen müssen. Solange Ihnen das bewusst ist: nur zu.

Die Formulierung Ihrer Frage indes lässt mich besorgt zurückfragen: Wollen Sie wirklich Ihre Selbständigkeit aufgeben? Warum zählen Sie gleich drei Argumente auf, die angeblich gegen Sie als Mitarbeiter sprechen (zu alt, Einzelkämpfer, fehlende formale Qualifikation), aber nur eines, mit dem Sie glänzen können (Auszeichnungen etc.). Als Mann des Marketings würden Sie Ihren Kunden doch empfehlen, die Vorzüge herauszustellen. Und da fallen mir auf Anhieb ein: solide Ausbildung, langjährig und belegbar erfolgreich mit einem eigenen Unternehmen, folglich versiert im kaufmännischen Denken und Handeln, risikobewusst, kundenorientiert und vorausdenkend.

Das sind allesamt gesuchte Eigenschaften. Wenn Sie dazu noch mit gutem Gewissen hinzufügen könnten, dass Sie sich von Niederlagen nicht so schnell ins Bockshorn jagen lassen, dann ist mir um Sie nicht bange. Mit diesen Eigenschaften wären Sie - wenn Sie mir diese Anmerkung erlauben - übrigens auch ein prima Unternehmer.

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Deutschland und Schweden. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher zu den Themen Management, Kommunikation und Personal.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: