Frage an den Jobcoach:Können mich die Mitarbeiter zu einem Coaching zwingen?

Führungskraft Markus M. ist von seinen Mitarbeitern in einer anonymen Befragung schlecht beurteilt worden. Nun bittet er den SZ-Jobcoach um Rat.

SZ-Leser Markus M. fragt:

In einer anonym durchgeführten Mitarbeiterbefragung ist meine Führungsleistung schlecht beurteilt worden. Solche Beurteilungen sind in unserem Unternehmen mit der Auflage verbunden, in einem Coaching intensiv den eigenen Führungsstil zu reflektieren. Ich habe mich extern vor 15 Monaten auf die Abteilungsleiterstelle beworben und mich gegenüber einem internen Bewerber aus dem Team, das ich jetzt leite, durchgesetzt. Die Geschäftsführung hat mir gegenüber durchblicken lassen, dass man mir eher zutraute, bestimmte unbequeme Personalentscheidungen durchzusetzen, was ich im letzten Jahr auch getan habe.

Vor diesem Hintergrund bewerte ich die negative Beurteilung als Retourkutsche des unterlegenen Bewerbers, der die Meinung im Team beeinflusst hat. Von keinem Mitarbeiter habe ich bisher kritisches Feedback bekommen. Die Abteilung arbeitet heute erfolgreicher. Ich muss also vieles richtig gemacht haben. Ich halte ein solches Coaching unter diesen Prämissen für nicht angemessen. Kann ich es ablehnen?

Georg Kaiser antwortet:

Lieber Herr M., vier Männer werden - so heißt es in einer orientalischen Parabel - mit verbundenen Augen in einen Raum geführt und sollen ertasten, was sich darin befindet. Anschließend reden sie darüber, was sie herausgefunden haben. "Es ist sehr beweglich, etwa wie eine im Raum schwebende Schlange", sagt der erste. "Unsinn", so der zweite, "es hat massive Säulen wie ein Tempel und steht fest auf dem Boden." "Tempel und Schlangen! Ihr seid verrückt. Es hat riesige Ohren und muss ein sehr großes Tier sein", sagt daraufhin der dritte. "Das Tier hat einen kleinen dünnen Schwanz. In welch mickriger Welt lebst du, wenn du so ein Tier sehr groß findest?", bemerkt der vierte. Über ihre Wahrnehmungen geraten die vier in einen heftigen Streit. Dabei haben alle recht.

Der SZ-Jobcoach

Georg Kaiser unterstützt Führungskräfte bei Konflikten im Arbeitsalltag und der Entwicklung ihres Personals. Er arbeitet als Wirtschaftsmediator, Managementtrainer, Coach, Supervisor und Gestalttherapeut in Bremen.

Stellen Sie sich vor, dass nicht nur Ihre Sicht zutrifft, sondern auch die der Mitarbeiter. Sie betrachten Ihre Leistung unter der Perspektive der Erfolge, die in der Abteilung erbracht werden. Die Mitarbeiter bewerten Ihre Leistung unter der Perspektive, ob sie sich akzeptiert, abgeholt und mitgenommen fühlen. Aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel kann die Führungsleistung sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden - wie der Elefant in der Parabel. Genau genommen beruht Ihre eigene positive Bewertung nicht darauf, wie Sie Ihre Mitarbeiter führen. Ihre Einschätzung folgt einem indirekten Urteil: Wenn wir gute Ergebnisse erzielen, ist mein Führungsstil gut.

Das sehen Ihre Mitarbeiter offensichtlich nicht so. Sie können viel über sich erfahren, wenn Sie die Kritik der Mitarbeiter so genau wie möglich kennenlernen. Was gefällt ihnen nicht? An welchen Beispielen machen sie es fest? Welche Empfehlungen haben sie, wie die Führungsleistung verbessern werden kann? Holen Sie sich aktiv Feedback ein - in Einzelgesprächen oder in einem Teammeeting. Allerdings erst dann, wenn Sie sich eine Haltung der Neugier und Offenheit erarbeitet haben. Ein kritisches Feedback muss man annehmen können - gerade dann, wenn inhaltliche Vorbehalte dagegen sprechen und sich emotional einiges sperrt.

Um diese Regungen zu verstehen, ist ein Coaching sehr hilfreich. Eine kritische Distanz zu den eigenen Emotionen lässt sich unter fachkundiger Begleitung und Anleitung sehr viel leichter erarbeiten als im Alleingang. Wenn Sie die Sicht Ihrer Mitarbeiter als unbegründet oder "fremdgesteuert durch negative Beeinflussung" abweisen, vielleicht auch durch Ärger oder Kränkungen geleitet, vertiefen Sie die Gräben, statt die Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. Ein solches Verhalten bewerten Ihre Mitarbeiter als mangelhafte Führungsfähigkeit.

Ihre Aufgabe besteht darin, die unterschiedlichen Sicht- und Erlebnisweisen für alle Beteiligten nachvollziehbar zu machen und Verständnis zu wecken für bestimmte Entscheidungswege und Vorgehensweisen. Das heißt nicht, allem zuzustimmen, was Ihre Mitarbeiter kritisieren, oder erst dann Entscheidungen umzusetzen, wenn alle damit einverstanden sind. Die Führung und damit die Entscheidung, was Sie richtig finden und wie Sie vorgehen, bleibt bei Ihnen. Aber nehmen Sie die Bedenken Ihrer Mitarbeiter ernst und verdeutlichen Sie ihnen, weshalb Sie sich so und nicht anders entscheiden und was gegen die Wünsche und Vorstellungen der Mitarbeiter spricht.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Etikette oder Arbeitsrecht? Dann schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere Experten beantworten ausgewählte Fragen. Ihr Brief wird anonymisiert.

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