Thesen zum Chefsein:Zur Exzellenz geführt

Aussitzen bringt nichts - So lösen Teams ihre Konflikte selbst

Ein Chef muss nicht nur Motivator, sondern im Bedarfsfall auch Streitschlichter sein.

(Foto: dpa-tmn)

"Wenn der Chef glaubt, er führt, tue ich so, als ob ich arbeite": Wie schafft es ein Unternehmer, seine Mitarbeiter zu motivieren? Reden, lauschen und entscheiden, meint unser Experte. Die Prinzipien für gute Chefs in sechs Thesen.

Von Dieter Frey

Wofür will man motivieren?

Bevor man sich Gedanken macht, was man tun kann, um Mitarbeiter zu motivieren, muss man sich rückbesinnen, was das Kerngeschäft und die Kernziele des eigenen Unternehmens sind. Im Allgemeinen wird man Produkte oder Dienstleistungen herstellen, die auf dem Markt erfolgreich sein sollen, das heißt, man muss letztlich die Bedürfnisse der Kunden erfüllen oder übertreffen. Die Erfüllung der Erwartungen und die Zufriedenheit der Kunden geschieht aber nicht zufällig, sondern ist abhängig von der täglichen Leistung der Mitarbeiter. Wenn die Mitarbeiter sich schlecht behandelt fühlen, werden sie auf Dauer keine gute Arbeit abliefern und sich weder mit der Aufgabe noch dem Chef oder der Organisation identifizieren. Die Mitarbeiter handeln nach der Devise: "Wenn der Chef glaubt, er führt, tue ich so, als ob ich arbeite." Berücksichtigt man die neuesten Forschungsbefunde - auch die, die wir am LMU Center for Leadership and People Management gefunden haben - kann man wie folgt motivieren:

Zur Person

Dieter Frey ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und Leiter des LMU-Centers für Leadership und People Management.

1. Exzellenzkultur und Wertschätzungskultur schaffen

Führung (sowohl Mitarbeiter- als auch Unternehmensführung) hat in ihrer Motivationsstrategie darauf zu achten, dass drei Kulturen in einer Organisation gelebt werden: Erstens eine Kultur von Exzellenz, Leistung, Innovation, Nachhaltigkeit und Qualität, zweitens eine Kultur von Wertschätzung, Fairness und Transparenz und drittens eine Kultur ethikorientierter Führung, die durch Vorbild, Verantwortung, Verpflichtung gekennzeichnet ist.

Dabei muss die Führungskraft permanent klären und reflektieren, was konkret die Umsetzung aller drei Kulturen bedeutet. Die Umsetzung einer Exzellenzkultur wird bedeuten, dass man sich mit den Besten vergleicht, sich laufend entwickelt, verbessert, reflektiert, wo man noch zulegen kann. Hinsichtlich der Kultur der Wertschätzung ist es dasselbe: ein laufender Prozess im Sinne von "Gehen wir fair und wertschätzend mit den Mitarbeitern um?" Letzteres nicht nur aus humanitären Gründen, was selbstverständlich wäre, sondern auch aus kaufmännischen Gründen, weil gilt: Wertschöpfung entsteht durch Wertschätzung. Das heißt aber, dass man die Quadratur des Kreises erreichen muss, nämlich Wertschätzung mit Exzellenz zu verbinden.

Die Kunst der Motivation von Führung besteht darin, den Mitarbeitern diese Quadratur des Kreises zu transportieren. Mitarbeitermotivation heißt also keineswegs nur, sich wohlzufühlen und gemeinsam Kaffee zu trinken, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt Erfolg haben, gleichzeitig aber die Mitarbeiter und das Team fair und anständig zu behandeln. Das ist kein Widerspruch, sondern ein permanentes Lavieren, manchmal auch ein strukturiertes Durchwurschteln ("muddling through"). Die Führungskraft muss Vorbild im Leben dieser Kulturen sein, sie muss sich für diese Kulturen von Exzellenz und Wertschätzung verantwortlich fühlen und sich laufend verpflichtet fühlen, alles zu tun, damit das Potenzial, das in den drei entscheidenden Kulturen vorhanden ist, ausgeschöpft wird.

2. Für eine hierarchiefreie Kommunikation sorgen

Wie werden diese drei Kulturen im Alltag umgesetzt, sodass sie zu Motivation führen? Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass eine Führungsperson allein nichts erreichen kann; sie braucht Unterstützer. Im Sinne des 2-6-2-Modells braucht sie also bei zehn Mitarbeitern mindestens zwei Positiv-Multiplikatoren, die die Philosophie unterstützen und vorausgehen, und sie muss schauen, dass die zwei Personen, die gegenarbeiten, nicht die Überhand gewinnen. Im Idealfall werden die sechs Personen aus dem mittleren Bereich von den Positiv-Multiplikatoren mitgezogen. Des Weiteren braucht man für die Umsetzung eine hierarchiefreie Kommunikation über drei Dinge: Was läuft gut? Was läuft nicht gut? Welche konkreten Verbesserungen bestehen? Wichtig ist, dass jeder Mitarbeiter alles ohne Angst ansprechen darf.

3. Durch kluge Führung die intrinsische Motivation fördern

Wir haben ein Prinzipienmodell der Führung und Motivation entwickelt und dieses in vielen Groß- und Mittelstandsunternehmen mit Tausenden Mitarbeitern und Führungskräften untersucht.

Unsere Forschung zeigt, dass es vor allem zehn Prinzipien sind, die Menschen in Richtung Exzellenz und Wertschätzung motivieren. Sie sprechen weltweite Sehnsüchte von Menschen an. Zum ersten Sinn- und Visionsvermittlung: Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten. Man muss transportieren, warum etwas gemacht wird. Dann die Freude an der Arbeit: Nur was man gerne macht, macht man gut. Konsequenterweise muss man die Mitarbeiter so einsetzen, dass sie ihre Talente entwickeln können, und sie gelegentlich fragen: Was muss passieren, damit die Arbeit mehr Freude und Spaß macht?

An dritter Stelle steht Transparenz. Der nicht informierte Mitarbeiter wird sein Potenzial nicht aktivieren. Führen ist überwiegend Kommunikation, und wo die Führungskraft nicht kommuniziert, denkt der Mitarbeiter automatisch, er genieße keine Wertschätzung. Hinzu kommen Autonomie und Partizipation: Als Chef sollte man Mitarbeitern möglichst viele Freiräume geben, damit sie das Gefühl von Selbstwirksamkeit haben. Zu oft hat man Führungskräfte, die sagen: "Ich habe heute meinen besten Mitarbeiter mitgebracht, ich komme selber." Sie entmündigen damit den Mitarbeiter.

Kleinigkeiten und Führungswerkzeuge

Wichtig ist ebenfalls, fünftens, die Vereinbarung klarer Ziele. Wer kein Ziel hat, wird nie ein Ziel erreichen. Deshalb ist es wichtig, früh die beidseitigen Erwartungen zu klären: Was erwartet die Führungskraft vom Mitarbeiter, aber auch, was erwartet der Mitarbeiter von der Führungskraft? Dazu gehört auch Feedback: Wichtig ist positive Rückmeldung im Sinne einer Lob- und Anerkennungskultur, genauso wichtig ist auch konstruktive Korrektur in Form von Verbesserungsvorschlägen. Das gehört ebenso dazu wie Wertschätzung. Menschen blühen auf, wenn sie das Gefühl haben, dass sie wichtig und wertvoll sind. Man muss ihnen vermitteln, dass eine Uhr nicht funktioniert, wenn ein kleines Zahnrädchen nicht funktioniert.

Zu den wichtigen Grundsätzen gehört Fairness. Es ist nicht immer möglich, die teils egoistischen Interessen der Mitarbeiter zu befriedigen. Führen ist oft auch das Management von Enttäuschungen. Umso wichtiger ist es, Entscheidungen so zu erklären, dass der Mitarbeiter sie verstehen: Menschen sind bereit, nahezu alles zu ertragen, wenn sie wissen, warum. Auch das ist ein Beitrag zum guten Teamklima: Die Motivation hängt stark davon ab, ob das Teamklima unterstützend ist, aber natürlich auch, ob im Team ein Commitment für Exzellenz und Menschenwürde besteht. Das ist unter anderem Sache der Führungskräfte und Multiplikatoren. Genauso wichtig ist schließlich zehntens die individuelle Entwicklung: Damit viele Menschen fachlich und persönlich vorankommen, muss man Rahmenbedingungen geben.

Unsere Forschung zeigt: Je mehr diese Prinzipien gelebt werden, umso eher kann man das Potenzial von Kreativität, Motivation und Innovation aktivieren, was letztlich sowohl einer Exzellenzkultur wie einer Wertschätzungskultur zugutekommt.

4. Die Kleinigkeiten nicht vergessen

Die Welt besteht nicht nur aus den großen Dingen, sondern auch aus kleinen. Danke sagen, Bitte sagen, sich ernsthaft erkundigen, wie es dem Kollegen geht, sind solche Dinge. Man muss sich auch um das allgemeine Wohlbefinden kümmern. Sollte man die defekte Kaffeemaschine ersetzen? Ist die Raumausstattung optimal? Bekommt der Mitarbeiter zum Geburtstag nicht nur ein Dankeschön, sondern einen kleinen Blumenstrauß? An vielen dieser Kleinigkeiten registrieren die Mitarbeiter, ob sie für wichtig gehalten werden.

5. Wichtige Führungswerkzeuge zur Motivation anwenden

Sehr gute Erfahrungen haben wir in Firmen gemacht, die einfache Führungswerkzeuge eingeführt haben, um die Motivation zu erhöhen. Zum Beispiel Selbst- und Teamreflexion oder Fünf-Minuten-Gespräche. Gegenstand der Reflexion ist, das Hamsterrad anzuhalten und zu überlegen, was lief gut, was lief nicht gut, wie kann man Dinge verbessern - sowohl einzeln als auch im Team. Dies ist nicht nur ein Aspekt für die Hygiene, sondern dient der kontinuierlichen Verbesserung.

Weiterhin helfen sogenannte Fünf-Minuten-Gespräche mit jedem Mitarbeiter, die alle zwei bis vier Wochen durchgeführt werden und in denen über individuelle Soll- und Ist-Zustände reflektiert wird. Weitere wichtige Werkzeuge sind eigentlich simple Dinge, die aber sehr motivierend wirken: Fragen stellen und zulassen, den Mitarbeiter dazu bringen, Probleme mit Lösungen zu verbinden.

6. Nicht jeder kann motivieren

Nicht jeder ist zur Führung und Motivation geeignet. Man muss belastbar sein. Man muss den Mut haben, mal die Augen zuzudrücken, gleichzeitig aber auch den Mut haben, Unpopuläres zu sagen. Man darf nicht lieb Kind sein wollen, sondern muss respektiert werden. Die Autorität zur Führung muss man durch sein eigenes Verhalten erlangen. Man muss die Sprache des Gegenübers verstehen, sowohl des Kunden als auch des Mitarbeiters. Man muss seine Emotionen kontrollieren können, wer permanent ausflippt, wird Vertrauen verspielen.

Umso wichtiger ist es, bei der Auswahl und Beförderung von Führungskräften die charakterlichen Eigenschaften eines Menschen zu berücksichtigen. Man sollte für Führung auf keinen Fall per se die beste Fachkraft nehmen, sondern den geeignetsten Mitarbeiter: Der hat zwar von der Sache eine Ahnung, aber noch viel besser weiß er, wie man mit Menschen so umgeht, dass sie für Exzellenz und Wertschätzung stehen. Begrenzt kann man Letzteres sogar lernen, aber nicht jeder.

Beim Motivieren geht es um Wissen, Handlungskompetenzen und Werte. Es soll allerdings ein Missverständnis vermieden werden. Der Mitarbeiter kann nicht sagen: Nun liebe Führungskraft, motiviere mich mal. Führungskräfte sollen Rahmenbedingungen für intrinsische Motivation bieten - aber letztlich ist jeder Mitarbeiter selbst für seine Motivation verantwortlich. Das heißt, er muss sich auch immer selbst so regulieren, dass er mit suboptimalen Bedingungen umgehen kann. Das ist im Berufsleben nicht anders als im Privatleben.

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