Frage an den Jobcoach:Darf der Chef verlangen, dass ich mich doppelt krankmelde?

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Der Arbeitgeber von Michael W. nimmt es neuerdings bei Krankmeldung ganz genau. Nun möchte der Angestellte wissen, ob das rechtens ist.

SZ-Leser Michael W. fragt:

Ich arbeite bei einem Automobilzulieferer und habe eine Frage zur Krankmeldung. Mein Arbeitgeber verlangt neuerdings, dass wir uns an zwei Stellen krankmelden müssen, und zwar beim Personalbüro und zusätzlich noch beim persönlichen Vorgesetzten. Ist das rechtlich in Ordnung? Besteht überhaupt eine Pflicht, sich bei Krankheit telefonisch abzumelden? Oder reicht es, wenn man spätestens am dritten Tag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schickt?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr W., wer krank ist und nicht arbeiten kann, muss sich unverzüglich bei seinem Arbeitgeber melden und sagen, wie lange er voraussichtlich fehlen wird. So sieht es Paragraf 5 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes vor. Unverzüglich heißt rechtlich "ohne schuldhaftes Zögern" und bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich der Mitarbeiter so schnell wie möglich melden muss, nachdem er bemerkt hat, dass er nicht arbeiten kann. Der Arbeitgeber muss Bescheid wissen. Einfach nicht zu erscheinen und am dritten Tag ein Attest zu schicken, geht also nicht.

Am besten melden sich Arbeitnehmer noch vor Arbeitsbeginn krank, spätestens aber in der ersten halben Stunde. Wer mit Rückenbeschwerden erst zum Arzt geht und gegen Mittag anruft, riskiert bereits eine Abmahnung. Hat der Mitarbeiter dagegen einen schweren Unfall, kann natürlich niemand von ihm verlangen, noch aus dem Krankenwagen mit dem Chef zu telefonieren. Hier ist es völlig in Ordnung, den Arbeitgeber zu informieren, sobald es eben möglich ist.

Dazu genügt es allerdings nicht, irgendjemandem im Betrieb Bescheid zu geben, etwa einem Kollegen oder dem Empfangsmitarbeiter. Wer der richtige Ansprechpartner ist, hängt von der betrieblichen Organisation ab und darf vom Arbeitgeber bestimmt werden. In der Regel ist es der direkte Vorgesetzte oder die Personalabteilung. Ihr Arbeitgeber verlangt die Krankmeldung bei beiden. Das ist organisatorisch nachvollziehbar und prinzipiell zulässig, da das Personalbüro wegen der Entgeltfortzahlung Bescheid wissen muss, der Chef aber auch wissen möchte, wer heute erscheint und wie er die Arbeit verteilt.

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Von Ines Alwardt

Sollte es Ihnen aus gesundheitlichen Gründen einmal nicht möglich sein, beide Ansprechpartner zu kontaktieren, etwa weil Sie starke Schmerzen haben oder eine Magen-Darm-Grippe Sie davon abhält, denken Sie pragmatisch: Vielleicht kann ein Angehöriger die Krankmeldung beim Chef und der Personalabteilung für Sie übernehmen. Oder Sie schreiben eine kurze Mail an das Personalbüro und setzten Ihren Chef auf cc. Wenn Ihnen tatsächlich einmal nur eine Kontaktaufnahme möglich sein sollte, darf Ihnen der Arbeitgeber daraus aber keinen Strick drehen. Denn auch er kann nur Menschenmögliches verlangen.

Eine bestimmte Form der Krankmeldung sieht das Gesetz nicht vor. Der Arbeitgeber kann aber Vorgaben machen. Tut er das nicht, kann sich der Arbeitnehmer aussuchen, ob er sich per Anruf, Mail oder Fax krankmeldet. Wer länger als drei Tage ausfällt, muss eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, und zwar spätestens am darauf folgenden Arbeitstag. Auch das regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz. Der Chef kann aber auch bei kürzeren Erkrankungen die Vorlage des sogenannten gelben Scheins verlangen, also beispielsweise am ersten Tag. Eine besondere Begründung muss er dafür nicht liefern. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Wer sich zu spät krankmeldet oder aber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu spät einreicht, riskiert eine Abmahnung. Kommt das häufiger vor, ist sogar eine Kündigung möglich. Außerdem kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigern, solange ihm keine ordnungsgemäße Krankmeldung vorliegt.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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