Debatte um Jugendoffiziere im Unterricht:Bundeswehr auf Werbefeldzug in Schulen

Lesezeit: 1 min

Fragwürdiger Einsatz, um Nachwuchs für die Bundeswehr zu rekrutieren oder neutrale Informationsveranstaltung? Lehrerverband und Eltern streiten darüber, ob Jugendoffziere der Bundeswehr Vorträge in Schulen halten sollen - und ob Schüler daran teilnehmen müssen.

Johann Osel

Der Deutsche Lehrerverband hat wenig Verständnis für die Kritik am Einsatz von Jugendoffizieren der Bundeswehr an Schulen. "Die Schüler können Fragen stellen, die Lehrer nicht beantworten können", sagte Präsident Josef Kraus in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Die bundesweit fast 100 hauptamtlichen Offiziere treten als Referenten im Unterricht auf und organisieren Exkursionen in Kasernen. Viele Kultusministerien haben durch Kooperationsabkommen die Bundeswehr mittlerweile als Bildungspartner institutionalisiert.

Kristian Rudelt, Jugendoffizier der Bundeswehr, erläutert Schülern einer zehnten Klasse die Aufgaben und Strukturen der Bundeswehr. (Foto: dapd)

Kraus reagierte auf Vorwürfe, dass die Gastredner den Politik-Unterricht zur Rekrutierung nutzten, da die Bundeswehr wegen des Wegfalls der Wehrpflicht viele Freiwillige und Berufssoldaten benötige. "Die Jugendoffiziere verfügen über eine Expertise, die kein Lehrer haben kann." Die Schüler interessierten sich etwa für Erlebnisse der Soldaten in Afghanistan, so Kraus, der auch Direktor eines bayerischen Gymnasiums ist. Seine Lehrer hätten nur gute Erfahrungen mit den Gästen gemacht - schließlich handele es sich bei der Bundeswehr um "ein Verfassungsorgan".

Friedensinitiativen und auch ein Arbeitskreis der Bildungsgewerkschaft GEW befürchten dagegen, dass Schulen durch die Referenten "unter die ideologische Kontrolle der Bundeswehr" geraten. Es werde versucht, bewaffnete Konflikte den Kindern als Normalität zu verkaufen.

Die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Ulla Jelpke, spricht von "systematischem Werben um junges Kanonenfutter" - Rekrutierung sei das Ziel, nicht politische Bildung. Eine SZ-Reportage im Sommer 2010, bei der zwei Schulklassen in der Nähe von Bonn begleitet wurden, hatte allerdings gezeigt, dass ein direktes Anwerben nicht stattfindet. Inwiefern durch die sympathische Darstellung der Armee Beeinflussung indirekt erfolgt, dürfte kaum messbar sein. Zudem hatte der Ortstermin gezeigt, dass das Interesse der Schüler in diesen Fällen gering war, sie stellten nur spärlich Fragen an den Offizier.

Der Bayerische Elternverband hat sich kürzlich mit einer Petition an den Landtag gewandt, in der gefordert wird, dass Schüler den Veranstaltungen "aus Gewissensgründen" fernbleiben dürfen - die Teilnahme also freiwillig wäre. Zudem würde es zur politischen Bildung gehören, Sicherheitspolitik von allen Seiten zu beleuchten und verstärkt Friedensaktivisten an Schulen einzuladen.

© SZ vom 06.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: