Bundeswehr: Kommando Spezialkräfte:Elite im Verborgenen

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"Das Härteste, was man in einer Demokratie verlangen darf": Nur die Besten schaffen die Aufnahmeprüfung der Spezialkräfte der Bundeswehr. Sie tauchen, klettern, schießen und jagen Terroristen - aber darüber reden dürfen sie nicht.

Caroline Ischinger

"Es ist verdammt heiß hier. Heute gab es Schnitzel. Und ich war im Kraftstudio." So oder so ähnlich dürfte es sich anhören, wenn Soldaten aus Afghanistan ihre Ehefrauen anrufen. Sie erzählen vom Wetter, vom Essen, vom Sport. Darüber, was sie auf ihren Patrouillen erleben, müssen sie schweigen. Das gilt besonders für die Elitekämpfer des Kommandos Spezialkräfte (KSK) aus Calw.

Viele junge Männer träumen vom KSK. Doch nur 30 Prozent der Bewerber schaffen es ins Kommando Spezialkräfte. (Foto: Reuters)

Wenn Patrick Schäfer, der in Wahrheit anders heißt, außerhalb der Kaserne im Schwarzwald gefragt wird, womit er sein Geld verdient, antwortet der 36-Jährige manchmal, er sei "Beamter im mittleren Management". Weil er keine Lust hat auf neugierige Fragen, die er nicht beantworten darf. Beamter, "das interessiert keinen", sagt der Kommandofeldwebel. Dann rede man über andere Dinge.

Einer wie Patrick Schäfer wollen viele junge Männer sein. Zu den Besten der Bundeswehr gehören, zu den Spezialkräften, davon träumen sie - oft vergebens. Seit das Kommando 1996 in Calw gegründet wurde, gestaltet sich die Rekrutierung als schwierig: Von denjenigen, die zum Eignungstest antreten, bestehen nur etwa 30 Prozent. Ein früherer Kommandeur hat die Prüfung einmal so beschrieben: Es sei das Härteste, was man in einer Demokratie verlangen dürfe. Solche, die mit ihrer Arbeit prahlen möchten, sind beim KSK aber falsch. Selbst der große Auftritt in Uniform ist für die Elitesoldaten keine Option - die dürfen sie außerhalb der Kaserne nicht tragen.

Wie fühlt sich das an, über ein wichtiges Thema wie den Beruf nicht sprechen zu dürfen? "In jungen Jahren ist das schwierig", sagt Schäfer, der fast seit den Anfängen zur KSK gehört. In Afghanistan war er vier Mal. Er sitzt auf einem Stuhl in der Calwer Kaserne, die einige kurvige Straßen von den Fachwerkhäusern an der Nagold entfernt auf einer Anhöhe liegt. "Am Anfang hätte ich gerne darüber gesprochen, was wir machen. Aber wir werden halt dazu verdonnert, nicht darüber zu reden. Und das Bedürfnis legt sich mit der Zeit", sagt er.

Schäfer ist kein Rambo, er wirkt nachdenklich. Wenn er aus dem Krieg zurückkommt, entspannt er sich beim Reiten. Den Mythos von der geheimnisvollen Truppe hält er für übertrieben; natürlich erzähle er seiner Frau, wenn er in einen Einsatz geschickt werde, sagt er. "Wenn ich das nicht tun würde, wäre ich bestimmt ganz schnell geschieden."

Die Trennungsrate wegen dienstlicher Belastungen ist nach Angaben des KSK in Calw knapp 15 Prozent höher als beim Rest der Bundeswehr. Oft seien die Männer aber noch jung, wenn sie ihren Dienst antreten, und ohne festen Partner. Bei den Scheidungsraten lägen die Spezialkräfte dann wieder im Schnitt.

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Rein ins Wasser, hoch auf den Baum, mitten durch den Matsch - und zwischendurch ein paar Schießübungen und Liegestützen: Wer die Ausbildung an der US Naval Academy beginnt, muss einiges aushalten.

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"Bevor sich die Kommandosoldaten für eine Hochzeit entscheiden, überlegen sie sich gut, ob der Partner zum Beruf passt", sagt Brigadegeneral Heinz Josef Feldmann, der im Oktober 2010 das Kommando übernommen hat. Dass ihre Arbeit das Familienleben belasten kann, bestreitet er nicht. "Meine Frau wäre gerne mal stolz auf mich", ist so ein Satz, den man als Besucher in Calw zu hören bekommt.

Doch wozu dient die Geheimhaltung beim KSK? Immer wieder wird sie kritisiert, besonders, wenn negative Schlagzeilen die Runde machen, wie vor einigen Jahren, als KSK-Soldaten vorgeworfen wurde, sie hätten einen Gefangenen in Afghanistan misshandelt. Zum Auftrag gehört es, Terroristen oder Kriegsverbrecher festzusetzen. "Auch wenn sie eine Person festnehmen, ist das Netzwerk vielleicht noch aktiv", sagt Feldmann. "Damit besteht logischerweise die Gefahr der Rache."

Indem die Identität der KSK-Soldaten geheim bleibt, sollen sie und ihre Familien geschützt werden. Zudem bleiben operative Details unter Verschluss, damit Feinde überrascht werden können. "Das ist ein wesentliches Element, um möglichst nicht zur Waffe greifen zu müssen", sagt Feldmann. In 99 Prozent der Fälle gehe die Rechnung auf.

Die Kommandosoldaten sind ähnlich ausgebildet wie ihre US-Kollegen von den Navy Seals, die Osama bin Laden töteten. Sie lernen, aus großer Höhe und mit schwerem Gepäck Fallschirmspringen. Sie können tauchen, Ski fahren, klettern. Im Schießausbildungszentrum in Calw trainieren sie, punktgenau zu treffen, wenn es nötig ist. Zwischen beweglichen Wänden, mit scharfer Munition. Je realistischer die Szenarien, desto größer der Trainingseffekt. "Schön, Dich zu treffen" steht auf einem Schild am Eingang. Das ist witzig gemeint. Eine "gezielte Tötung" von Terroristen hat die deutsche Politik ausgeschlossen.

Mehrere Soldaten des KSK sind während der Ausbildung oder bei Übungen ums Leben gekommen - im Schießausbildungszentrum jedoch nicht. Den Verunglückten ist ein Ehrenmal auf dem Kasernengelände gewidmet. Im Einsatz ist noch kein Kommandosoldat gestorben. Das Training scheint sich auszuzahlen.

Doch warum wählt man diese steinige Laufbahn, wenn man dann noch nicht mal im Rampenlicht steht? "Ich wollte schon immer zu den Besten der Besten gehören", sagt Patrick Schäfer. Er war bei den Gebirgsjägern, bevor er sich für die Spezialkräfte bewarb. Es sei die Herausforderung gewesen, die er suchte. Dass er auf lange Sicht einen Beitrag zur Stabilität in den Ländern leiste, in denen er im Einsatz ist, sei für ihn ein Erfolgserlebnis. "Das reicht mir eigentlich."

"Der Einzelne muss so gestrickt sein, dass er es ertragen kann, Spitzenleistungen zu erbringen und zur Elite zu gehören - ich wähle dieses Wort ganz bewusst! - und trotzdem niemand kommt, um ihm auf die Schulter zu klopfen - außer mir", sagt Feldmann. "Niemand!", schiebt er hinterher. "Resilienz", Widerstandskraft - so nennen sie es beim KSK, was sie beim Nachwuchs suchen.

Nach Calw werden Journalisten und Abgeordnete eingeladen, in der Kaserne finden Vortragsreihen statt. Es gebe "gute Gründe", dass man die Spezialkräfte anfangs teilweise abgeschirmt aufgebaut habe, sagt Feldmann. "Aber man muss sich öffnen." Das KSK, dieser im Schatten agierende Verband, sucht das Licht der Öffentlichkeit - auch um geeigneten Nachwuchs zu finden. Feldmann erzählt davon, dass in den USA im Kino Werbefilme über die Navy Seals laufen. "Ich würde mir wünschen, dass wir auch dahin kommen", sagt der Kommandeur. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass dies der richtige Weg ist". Dann muss er weg, zum Fototermin.

© SZ vom 18.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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