Bewerbersuche über soziale Netzwerke:Ohne Facebook-Passwort kein Job

Amerikanische Firmen fordern von Bewerbern den Zugang zum Facebook-Profil - sie wollen weiteren Einblick in das Leben der Kandidaten. Das soziale Netzwerk allerdings sorgt sich um die Privatsphäre der Nutzer und will gegen diese Unternehmen vorgehen.

Moritz Koch

Die Sheriffs von Spotsylvania, Virginia, gingen immer schon auf Nummer sicher. Mag ein Bewerber im Vorstellungsgespräch einen noch so kompetenten Eindruck gemacht haben - was, wenn er eine dunkle Vergangenheit verbirgt? Was, wenn der Nachwuchspolizist eine Gangsterkarriere oder eine Drogenlaufbahn hinter sich hat? Um die Gefahr einer Unterwanderung zu bannen, schwärmten die Beamten aus, befragten Freunde und Nachbarn des Kandidaten. Detektivarbeit war das, zeitaufwendig und personalintensiv. Heutzutage geht es einfacher. Freunde, Vorlieben, vielleicht sogar verdächtige Fotoalben - all das findet sich auf Facebook. Da liegt es nahe, die Ermittlungsarbeit ins Internet zu verlagern. Die Polizisten von Spotsylvania fordern Bewerber inzwischen während des Vorstellungsgesprächs auf, ihre Facebook-Seite zu öffnen.

Mehr und mehr Arbeitgeber in den USA verlangen von ihren Bewerbern Zugangsdaten zu Kontaktbörsen; der Fall Spotsylvania ist nur ein Beispiel. Facebook selbst spricht von einer "besorgniserregenden Zunahme von Berichten, dass Arbeitgeber oder andere Interessierte Zugang zu Kundenprofilen erlangen wollen, der ihnen nicht zusteht". Dass soziale Netzwerke wie Facebook, Myspace oder Google Plus eine Fundgrube für Personalabteilungen sind, ist schon länger bekannt. Gerade junge Menschen geben dort Informationen preis, die sie sonst nur Freunden oder ihrem Tagebuch anvertrauen würden. Sie verlassen sich dabei auch auf Datenschutzfunktionen, die es erlauben, Persönliches nur mit handverlesenen Internet-Kontakten zu teilen.

Unternehmen, die nach den Zugangscodes fragen, hebeln diesen Schutz aus - und nutzen die Verzweiflung vieler Bewerber. Die USA haben die Krise am Arbeitsmarkt auch dreieinhalb Jahre nach dem großen Crash nicht überwunden. Jobsucher müssen befürchten, aussortiert zu werden, wenn sie die Daten nicht herausrücken. Rechtsexperten sind besorgt. Die Passwortabfrage sei etwa so, als würden Personalchefs die Bewerber auffordern, ihren Hausschlüssel zu übergeben, sagte der an der George Washington University lehrende Professor Orin Kerr der Nachrichtenagentur AP, die vergangene Woche eine umfassende Recherche zu dem Thema veröffentlicht hat.

Auch Facebook ist alarmiert. Jeder Nutzer müsse wissen, dass er das Recht habe, sein Passwort für sich zu behalten, schreibt der Datenbeauftragte des Unternehmens, Eric Egan, in einem Firmenblog. Egan kündigte "juristische Mittel" an, sollten die Arbeitgeber ihre Neugier nicht bändigen. Das ist keine leere Drohung: Bewerbungsverfahren sind in den USA ein rechtliches Minenfeld. Diskriminierungsklagen können Millionensummen kosten. Kein Personalbüro darf den Eindruck erwecken, einen Kandidaten wegen persönlicher Merkmale verschmäht zu haben. Religion, Alter oder Wohnort - all das fehlt daher in amerikanischen Bewerbungen. Fotos sind ohnehin tabu. Auch darum suchen Arbeitgeber anderswo nach Informationen.

Dass sich Facebook plötzlich als Datenschützer profiliert, scheint verwunderlich zu sein. Schließlich wird dem Unternehmen vorgeworfen, extrem freizügig mit den persönlichen Informationen seiner Nutzer umzugehen, um sich als Werbeplattform interessant zu machen. Doch das gesamte Geschäftsmodell gründet auf dem Vertrauen der Nutzer. Facebook bleibt also gar nichts anderes übrig, als die Sorgen von Bewerbern ernst zu nehmen - und sich notfalls auch mit Sheriffs anzulegen.

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