Ausbildungsphänomen:Traumjob Banker

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Milliarden verbrannt und die Börsen in die Tiefe gerissen - der Bankerberuf hat derzeit einen schlechten Ruf. Trotzdem reißen sich Jugendliche um die Lehrstellen.

H. Freiberger und C. Münich

Tobias Eckert hat das Verkaufen im Blut. "Als kleiner Junge hatte ich schon eine Plastikkasse, mit der hab' ich immer gern gespielt", erzählt der 16-Jährige. Seine große Stunde schlug im vergangenen November, als er mit drei anderen Bewerbern in einem Assessment Center der Postbank saß. Es ging darum, wer eine Lehrstelle bei der Bank bekommt. Aufgabe war es, ein Verkaufsgespräch zu simulieren, egal mit welchem Produkt. Tobias entschied sich dafür, Fernseher zu verkaufen, und er war dabei so gut, dass er die Lehrstelle sofort bekam. "Die waren ziemlich beeindruckt", sagt er.

Mit Anzug und Krawatte über Zahlen brüten und sich am Ende vorwerfen lassen müssen, dass man für die Krise verantwortlich ist - das ist scheinbar der Beruf das Bankers. Jugendliche zieht es trotzdem in die Banken. (Foto: Foto: iStock)

Tobias sitzt mit seinem gleichaltrigen Mitschüler Ronal Tschand in der Klasse 10b der Anne-Frank-Realschule im Frankfurter Stadtteil Dornbusch. Auch Ronal hat seine Lehrstelle schon, im August fängt er bei der Mainzer Volksbank an. Er überzeugte im Assessment Center besonders durch seine soziale Kompetenz: "Denen hat es gefallen, wie ich mich bei der Gruppendiskussion ins Team integriert habe."

Zahl der Azubis ist sogar gestiegen

Die beiden Realschüler mit dem wachen Blick und den guten Noten werden im Herbst zu den mehr als 13.000 jungen Leuten gehören, die jedes Jahr in Deutschland eine Banklehre anfangen. Von Finanzkrise ist dabei nichts zu spüren: Die Zahl der Azubis ist zuletzt sogar gestiegen. Vor 2007 bildeten die Banken jedes Jahr rund 12.500 junge Leute neu aus, 2009 waren es fast 13.500, wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit belegt.

Kein Beruf hat durch die Finanzkrise einen solchen Vertrauensverlust erlitten wie der des Bankers. Viele verbinden damit automatisch das Wort "gierig". Der Langenscheidt-Verlag rief vor wenigen Wochen im Internet dazu auf, das Jugendwort 2009 zu küren. 45.000 Jugendliche schickten ihre Vorschläge. Das Wort " Bankster", eine Kombination aus "Banker" und "Gangster", kam auf den dritten Platz. Und trotzdem: Für viele Jugendliche bleibt Banker ein Traumberuf. Die Deutsche Bank berichtet, dass die Zahl der Bewerber jene der Ausbildungsplätze weiterhin um ein Vielfaches übersteigt. Bei der Citibank bewarben sich 2007 rund 7000 Jugendliche für einen Ausbildungsplatz, 2008 waren es schon 8200, im Jahr darauf 11.000 - mitten in der Finanzkrise.

Finanzkrise bringt Aufmerksamkeit

Haben die jungen Leute keine Angst, dass der derzeit schlechte Ruf des Berufs auf sie abfärbt? "Ich bin stolz darauf, Banker zu werden", sagt Anna Adam, Auszubildende im zweiten Lehrjahr bei der Deutschen Bank. "Es ist immer noch ein anerkannter Beruf, und ich bin auch stolz, dass ich von der Deutschen Bank eingestellt worden bin, weil sie eine starke Marke ist."

Der Realschüler Ronal Tschand, der bei der Mainzer Volksbank anfängt, gibt zu bedenken, dass es die Investmentbanker sind, die die hohen Boni einstreichen. "Das hat mit dem, was ich machen werde, überhaupt nichts zu tun, ich werde Bankkaufmann", sagt er. Seine Eltern hätten sich gefreut, als er die Zusage für die Lehrstelle bekam. Auch sein Klassenkamerad Tobias Eckert hat im eigenen Umfeld noch kein schlechtes Wort darüber gehört, dass er jetzt Banker wird. Die Eltern sind stolz, seine Freunde frotzelten nicht, sie haben sich sogar mit ihm gefreut.

"Der Beruf ist für junge Leute trotz der Finanzkrise nach wie vor sehr attraktiv, weil sich hier gute Verdienstchancen bieten", sagt Josef Albers, Gründer eines Coaching-Instituts in Köln, der öfter auch Bankmitarbeiter als Kunden hat. Für manchen Beobachter hat es sogar den Anschein, dass die häufigen Berichte über Banker in den vergangenen zwei Jahren das Interesse junger Leute an dem Beruf gesteigert haben. "Die Finanzkrise schafft natürlich auch eine große Aufmerksamkeit für das Berufsbild Bankangestellter, und die Bewerber sind sehr gut informiert", sagt Knut Krämer, der Ausbildungsleiter der Citibank.

Branchenvergleich, Rettungsschirm und Nicht-Pleiten

Das Gefühl, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, spielt für junge Leute nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Berufswahl. Und so skurril dies klingt: Gerade die Finanzkrise hat gezeigt, dass die Banker-Jobs sicher sind. "Ich vermute, die Schüler merken, dass es in anderen Branchen weitaus schlimmer aussieht", sagt der Verantwortliche für den Nachwuchs bei einer Großbank. Die Automobilbranche sei unsicherer geworden, aber "die Finanzbranche hat einen Rettungsschirm, und die Banken sind nicht pleitegegangen".

Eine Umfrage des Center for Financial Studies an der Frankfurter Universität ergab erst vor kurzem, dass jedes dritte von 100 befragten Kreditinstituten in den nächsten drei Monaten neue Mitarbeiter einstellen will. Das waren doppelt so viele wie noch ein Vierteljahr davor.

Ronal Tschand sagte man im Bewerbungsgespräch, dass die Bank noch nie jemandem gekündigt hat, um Stellen abzubauen. Und wenn er sich reinhänge, dann werde er übernommen. "Ich habe in dem Beruf viele Möglichkeiten, kann mich nach der Lehre weiterbilden, das Fachabitur machen und studieren - und das alles, ohne aus der Bank auszuscheiden", sagt er. Manche Banken sind dazu übergegangen, vermehrt Realschüler einzustellen, weil diese dem Betrieb eher treu bleiben als Abiturienten.

Eigene Zukunftsplanung ohne Krise

Citibank-Ausbilder Krämer hat festgestellt, dass die Jugendlichen über die Finanzkrise zwar gut informiert seien, für das eigene Leben und die Zukunftsplanung spiele sie aber keine große Rolle. Eher muss man schon die Eltern beruhigen: Ende 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, waren die Elternabende der Hypo-Vereinsbank besonders gut besucht. Die Bank musste besorgten Erziehungsberechtigten versichern, dass die zugesagten Lehrstellen für ihre Kinder sicher seien.

Tobias, der im August bei der Postbank anfängt, sagt dagegen: "Ich lasse mich von der Finanzkrise nicht aus dem Konzept bringen." Und wenn man ihn fragt, was er einmal verdienen möchte, kommt es ganz schnell: "Gut."

© SZ vom 02.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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