Triclosan:Keimkiller mit Altlasten

Triclosan

Weiße Weste: In den USA haben einige Unternehmen Produkte mit Triclosan wie Waschmittel und Seifen aussortiert - für den "Seelenfrieden" ihrer Kunden.

(Foto: Jim Mone/AP)

Das Bakterizid Triclosan verschwindet zunehmend aus Seifen, Deos und Zahncremes. Das ist gut so, denn es steht im Verdacht, Krebs zu begünstigen und Spermien zu schädigen. Ein anderes Problem bleibt: Der bereits in die Umwelt gelangte Stoff könnte Erreger resistent machen.

Von Andrea Hoferichter

Wenn es um Verbraucherschutzthemen geht, ist Triclosan ein Dauerbrenner. Das Bakterizid, das in manchen Seifen, Zahncremes oder Deos steckt und als Mittel gegen Schweißgeruch auch in T-Shirts oder Socken, sorgt schon seit fast 20 Jahren immer wieder für Meldungen über Gesundheitsrisiken. Triclosan konnte in Zell- und Tierversuchen die Vermehrung von Brustkrebszellen ankurbeln, berichtete erst kürzlich ein Team um Kyung-Chul Choi von der Chungbuk National University in Südkorea im Fachblatt Chemical Research in Toxicology.

Zudem beeinträchtigt die Substanz möglicherweise den Kalzium-Haushalt und damit die Funktion von Spermien, melden Wissenschaftler des deutsch-dänischen Forschungszentrums Center of Advanced European Studies and Research in Bonn und des Rigshospitalets in Kopenhagen.

"Solche Untersuchungen werfen natürlich neue Fragen auf. Aus toxikologischer Sicht sind aber alle zurzeit erhältlichen Produkte sicher", sagt Thomas Platzek vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Die gesundheitlich unbedenkliche Dosis sei auf der Grundlage von zahlreichen Labor- und Tierversuchen ermittelt worden. "Zwar sind Tierversuche im Zusammenhang mit Kosmetika mittlerweile verboten, doch es standen eine Riesenmenge an Daten aus der Zeit davor zur Verfügung", erklärt der BfR-Toxikologe. Daher wisse man auch schon länger, dass die Substanz hormonähnlich wirken kann.

Im April hat die EU ihre Auflagen zum Einsatz von Triclosan in kosmetischen Produkten leicht verschärft. Danach liegt der Grenzwert für die meisten kosmetischen Produkte nach wie vor bei 0,3 Prozent, doch für Mundwasser gilt ab Oktober 2014 eine Höchstgrenze von 0,2 Prozent. "Die EU-Verordnung basiert auf dem allerdings eher unwahrscheinlichen Szenario, dass jemand ausschließlich triclosanhaltige Produkte verwendet", erklärt Platzek. Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, in deutschen Supermarktregalen überhaupt eine mit Triclosan deklarierte Zahnpasta zu finden.

Anders ist das in den USA, wo die Angst vor Keimen größer ist und auf praktisch jeder Ladentheke, in Behörden und in Klassenräumen eine Flasche mit antibakterieller Seife steht. Eine Liste triclosanhaltiger Produkte, von denen einige auch in Europa angeboten werden, liefern die Internetseiten des US-amerikanischen Umwelt- und Verbraucherschutzverbandes Beyond Pesticides in Washington.

Zwar stellen die Hersteller von Kosmetika und Reinigungsmitteln die Sicherheit ihrer Produkte nicht in Frage, dennoch haben einige von ihnen, zum Beispiel Procter & Gamble, Johnson & Johnson sowie Avon den Zusatzstoff Triclosan aus dem Sortiment verbannt, für den "Seelenfrieden" ihrer Kunden, wie es etwa in einer Pressemitteilung von Johnson & Johnson heißt.

Es gilt das Motto: Was einen nicht tötet, das macht einen hart

In der Lebensmittelbranche, in Folien, auf Arbeitsflächen und Schneidebrettern oder Transportbändern, kurz auf allem, was mit Lebensmitteln in direkten Kontakt kommt, ist Triclosan schon seit etwa fünf Jahren EU-weit verboten. "Hier hat sich der jahrelange Druck von Verbraucherschützern und gerade auch von den deutschen Behörden endlich mal bezahlt gemacht", sagt Platzek.

Seit Herbst 2013 kommt außerdem die Biozidverordnung der EU zum Tragen, nach der jedes biozidhaltige Produkt eine Zulassung braucht. Das erschwert es unter anderem, neue, mit Triclosan versehene Kleidungsstücke auf den Markt zu bringen. Den textilen Einsatz des Mittels findet der Forscher ohnehin "schlicht inakzeptabel".

Doch selbst wenn der chlororganische Wirkstoff aus solchen Produkten verschwindet, bleibt eine große Sorge. Seit Triclosan vor gut 40 Jahren erstmals zum Einsatz kam, reichert es sich vor allem über das Abwasser in der Umwelt an und kann dort Resistenzen verursachen.

In Kläranlagen wird diese chemische Verbindung nicht vollständig eliminiert. "Laborversuche haben gezeigt, dass Bakterien nicht nur gegen Triclosan selbst resistent werden können, sondern unter Triclosan-Einwirkung auch Kreuzresistenzen gegenüber Antibiotika entwickeln", sagt Platzeks Kollege am BfR, Sascha Al Dahouk. Ein eindeutiger Beleg dafür, dass dies auch in der Realität tatsächlich passiere, fehle aber. Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse.

Resistenzen bilden sich vor allem dann, wenn ein Wirkstoff nur in geringen Konzentrationen, wie etwa durch Alltagsprodukte, in die Umwelt gelangt. Dann gilt das Motto: Was einen nicht tötet, macht einen nur härter. Die Bakterien verändern sich und entwickeln neue Abwehrstrategien. "Das BfR plädiert deshalb dafür, überall dort, wo es Alternativen gibt, auf Triclosan zu verzichten", betont Al Dahouk. Nur der sachgerechte medizinische Einsatz, zum Beispiel als Desinfektionsmittel in Krankenhäusern, sei sinnvoll.

Auch die möglichen ökologischen Folgen des unbedachten Bakterizideinsatzes sprechen für einen weitgehenden Verzicht. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig und des Slowakischen Umweltinstitutes etwa fanden vor zwei Jahren im Einzugsgebiet der Elbe an vielen Stellen Konzentrationen, die einen für Grünalgen gerade noch harmlosen Grenzwert bis zu zwölffach überschritten.

Sie forderten deshalb, Triclosan in jene EU-Liste der prioritären Stoffe aufzunehmen, die eine Überwachung der Konzentrationen in der Umwelt vorschreibt. Bisher ist das allerdings noch nicht geschehen. Die Datenerhebung ist nach wie vor freiwillig und in Deutschland Sache der Bundesländer. Die zuständigen Umweltinstitute in Hamburg und Sachsen etwa nehmen regelmäßig Wasserproben. Die Auswertung von aktuellen Daten steht aber noch aus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: