Gesundheitsstudie in Hamburg:Zehntausende geprüfte Herzen

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Nach Angaben der Universität Hamburg ist sie die größte städtische Gesundheitsstudie der Welt. Bis zu 50 000 Einwohner werden untersucht, um bessere Erkenntnisse zur Entstehung von Volkskrankheiten zu gewinnen.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Die Gesundheit des Menschen ist ein wechselhaftes Phänomen, das von unzähligen Faktoren abhängt. Kein Gelehrter dieser Welt kann sagen, dass er das Phänomen verstanden hätte. Das gilt auch für Stefan Blankenberg, obwohl er als Leiter der Kardiologie am Herzzentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) viel von Gesundheit versteht.

Beispiel Herzschwäche: "Die ist immer wieder ein Rätsel", sagt Blankenberg. "Wir wissen nicht, warum die Pumpfunktion des Herzens bei manchen Menschen im Alter von 60 bis 80 Jahren nachlässt." Schön wäre es, wenn man es wüsste, dann könnte man manchem frühen Herztod vorbeugen. Immerhin, Blankenberg hofft, dass sein Haus bald etwas zur Aufklärung beitragen kann - mit einem neuen Forschungsprojekt, das es so noch nicht gegeben hat.

Am Montag hat das UKE die Hamburg City Health Study (HCHS) vorgestellt, die nun beginnen soll. Dabei handelt es sich laut UKE um die größte lokale Gesundheitsstudie der Welt: 45 000, vielleicht sogar 50 000 Hamburger im Alter von 45 bis 75 Jahren werden dafür eingehend untersucht. Die Ergebnisse und Gewebeproben sollen in eine Daten- und Biomaterialbank einfließen und so neue Erkenntnisse über die Risikofaktoren für verbreitete Erkrankungen wie Herzschwäche, Herzinfarkt, Vorhofflimmern, Schlaganfall oder Demenz bringen.

Menschen behandeln, bevor sie erkranken: Dafür wird eine ganze Stadt auf Herz und Nieren geprüft

Wenn man so will, wird eine ganze Stadt auf Herz und Nieren geprüft, um die Gesundheit des Einzelnen vor dem Hintergrund persönlicher, sozialer und biologischer Voraussetzungen besser verstehen zu können. Die Studie soll einen Beitrag zu einer Medizin der Zukunft leisten, die den einzelnen Patienten schon zielgerichtet behandelt, bevor eine Erkrankung auftritt. "Die Hoffnung ist, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen zu können, welche Volkserkrankung ein Mensch bekommen wird", sagt Blankenberg.

Es gibt schon einige Studien dieser Art. Die bisher umfangreichste ist die Framingham Heart Study in den USA, bei der seit 1948 etwa 15 000 Einwohner von Framingham im Bundesstaat Massachusetts über Generationen auf Koronare Herzkrankheiten und Arteriosklerose untersucht werden. Die Hamburger Version entwickelt den Grundgedanken dieses Projekts weiter. Und sie ergänzt die bundesweite Studie namens "Nationale Kohorte", an der 200 000 Versuchspersonen aus verschiedenen Städten teilnehmen; 10 000 von ihnen kommen aus Hamburg.

Drei Jahre haben die Vorbereitungen für die Hamburger Studie gedauert. Mehr als 30 Kliniken und Institute des UKE arbeiten zusammen und geben einen Teil ihres Budgets; außerdem tragen Sponsoren- und Fördergeld zur Finanzierung bei. Das UKE hat ein Studienzentrum eingerichtet und 65 eigens dafür geschulte Vollzeitkräfte eingestellt.

Die Probanden, die das UKE nach dem Zufallsprinzip einladen wird, erwartet ein sechsstündiger Diagnostik-Marathon, bei dem sie standardisierte Fragebögen ausfüllen werden sowie an neun Untersuchungsstationen nach den Regeln der bildgebenden, klinischen und genetischen Analyse durchleuchtet werden. 6000 Analysedaten, dazu Bilder und eingefrorenes Biomaterial, werden so für jeden Studienteilnehmer anfallen. Sechs Jahre wird es dauern, bis jeder Proband das Untersuchungsprogramm durchlaufen hat, danach beginnt der zweite Zyklus, der noch einmal sechs Jahre dauert. Die ersten Ergebnisse der Studie will das UKE Ende 2016 vorlegen, 2021 die ersten Langzeitergebnisse. Der Anspruch ist hoch: Die Welt soll von Hamburg lernen, wie die Gesundheit von morgen aussieht.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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