Manipulationen bei Organvergabe:Versuchter Totschlag oder bloße Ordnungwidrigkeit?

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig beschuldigt einen Göttinger Transplantationsmediziner des versuchten Totschlags. Das mag hart klingen - und doch ist es unverständlich, dass nicht alle Staatsanwaltschaften mit solcher Härte vorgehen.

Ein Kommentar von Christina Berndt

Wahrscheinlich ist so manchem Transplanteur am Wochenende ganz mulmig geworden. Was viele in der Szene als Kavaliersdelikt angesehen haben - die Bevorzugung von Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation -, interpretiert die Staatsanwaltschaft Braunschweig knallhart als versuchten Totschlag.

Das ist die richtige Sicht der Dinge. Denn allen Chirurgen muss stets klar gewesen sein: Wenn sie angesichts der Knappheit an Spenderorganen einzelne Patienten auf dem Papier kränker machen, als sie sind, wird es Tote geben. Zwangsläufig werden Kranke sterben, die aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes eigentlich ganz oben auf der Warteliste standen und übergangen worden sind. Ob die manipulativen Mediziner im Einzelfall nur von dem Motiv geleitet wurden, ihren eigenen Patienten zu helfen, ist für diese Menschen und ihre Angehörigen egal.

Es ist unverständlich, dass nicht alle Staatsanwaltschaften, die mit dem Transplantationsskandal befasst sind, mit der Braunschweiger Härte vorgehen. In Regensburg etwa wird derzeit nur wegen Verstoßes gegen das Transplantationsgesetz ermittelt. Sollte sich nicht herausstellen, dass die Ärzte dort Geld für ihre Datenfälschungen kassiert haben, dann gäbe es aber nach diesem Gesetz lediglich eine Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Das wäre dann noch ein Skandal.

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