Glyphosat:Wurst, Pflanzengift, Krebshysterie

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In der Öffentlichkeit wird das Pestizid Glyphosat kontrovers diskutiert. Jetzt kommt die EU-Lebensmittelbehörde zum Schluss, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Ein Verbot brächte auch kaum etwas.

Ein Kommentar von Hanno Charisius

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa hat dem öffentlichen Druck widerstanden. Sie sieht keinen Grund, das weithin genutzte Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat aus dem Verkehr zu ziehen. Gleichzeitig fordert die Behörde einen neuen Grenzwert für die Substanz. Damit bestätigt die Efsa, was Pflanzenschutzmittel im Industriezeitalter sind: ein kaum vermeidbares Übel, das streng kontrolliert werden muss. Auch wenn diese Beurteilung nun erwartbar Proteste auslöst: Sie ist konsequent, pragmatisch und dem aktuellen Forschungsstand angemessen.

Kein Bauer fährt gerne mit der Giftspritze über seinen Acker. Mit Fungiziden bekämpft er Pilze, die gefährliche Gifte produzieren und seine Produkte unverkäuflich machen würden. Insektizide töten Käfer, Raupen und Larven, die große Teile der Ernte vernichten würden. Substanzen wie Glyphosat ersparen den Landwirten die mechanische Unkrautbekämpfung und damit viel Arbeit. Würde man Arbeitszeit, Diesel und Ernteverluste angemessen entschädigen, würden Landwirte womöglich gern auf die Gifttouren verzichten. Letztendlich müssten die Verbraucher aber deutlich mehr Geld für Nahrungsmittel bezahlen.

Pestizide sind nicht harmlos, sie können beträchtliche Schäden in der Umwelt verursachen, die Gesundheit von Menschen und Tieren gefährden. Deshalb müssen sie mit Bedacht eingesetzt und Rückstände streng kontrolliert werden. Das gilt für Glyphosat genauso wie für jedes andere Pflanzenschutzmittel. In der öffentlichen Diskussion aber hat Glyphosat seit einiger Zeit das Ansehen von Asbest oder Arsen. Dazu hat die Einschätzung der internationalen Krebsforschungsagentur IARC im März beigetragen, wonach die Substanz "wahrscheinlich krebserregend" ist - ähnlich wie rotes Fleisch übrigens.

Ein Fleischverbot ist seither nicht ernsthaft diskutiert worden. Nicht einmal Wurstwaren will jemand verbieten, obwohl für deren Krebswirkung mehr Fakten sprechen als gegen Glyphosat. Sicher ließe sich das Pestizid leichter verbieten als ein Grundnahrungsmittel wie Fleisch. Gewonnen wäre dadurch allerdings nichts. Bauern würden andere Mittel verwenden, solche, die weit weniger gut erforscht sind. Viele Alternativen sind giftiger als Glyphosat, auch wenn sie derzeit nicht auf offiziellen Listen krebserregender Stoffe stehen. Und weil kein anderes Pestizid so wirksam ist wie Glyphosat, müssten die Bauern mehr sprühen, vielleicht sogar Gemische anrühren, über deren Gefährlichkeit kein Mensch etwas weiß. Sicherer für den Verbraucher wäre das nicht.

Pestizid
:Bauern in Europa dürfen wohl weiter Glyphosat versprühen

Trotz Bedenken stuft die zuständige EU-Behörde das Pestizid als wahrscheinlich nicht krebserregend ein - und möchte sogar den Grenzwert erhöhen.

Von Silvia Liebrich und Andreas Rummel

Wichtiger als Glyphosat zu verbieten wäre, das Zulassungssystem solcher Substanzen grundlegend zu reformieren. Unabhängige Labore müssen die Sicherheit der Stoffe überprüfen. Unternehmen dürften nicht mehr mitmischen, wenn die entsprechenden Gesetze geschrieben werden, was derzeit leider noch der Fall ist. Dann wäre es auch leichter, den Sicherheitsbehörden mehr Vertrauen zu schenken.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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