Ebola-Epidemie:Blut der Verzweiflung

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Die WHO empfiehlt im Kampf gegen Ebola, Kranke mit Blut von genesenen Patienten zu behandeln. Kann das funktionieren oder ist das ein irrsinniger Plan?

Von Kathrin Zinkant

"Es gibt noch Luft nach oben", heißt es beim Blutspendedienst des Roten Kreuzes. Bislang reichen die Konserven. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Eigentlich hatte sich alles zum Guten gewendet. Der Ausbruch ließ nach, die Krankenstation leerte sich. Ebola war auf dem Rückzug. Doch das Virus erwischte noch eine Krankenschwester. Als es der Frau immer schlechter ging, griffen die Ärzte zu einem letzten Mittel. Sie gaben ihr Blut eines Patienten, der vollständig von der Krankheit genesen war. Sein Körper hatte Abwehreiweiße, sogenannte Antikörper, gegen den Erreger gebildet. Zwei Tage nach der Transfusion ging es der Frau besser. Nach zweieinhalb Wochen war sie gesund. Die Ärzte behandelten noch sieben weitere Patienten mit dem Blut von Überlebenden. Sechs erholten sich vollständig.

Was einer guten Handvoll von Ebolakranken 1995 im kongolesischen Kikwit vielleicht das Leben rettete, soll nun Tausende von Infizierten in Westafrika vor dem Tod bewahren: Blut und Serum, so sagte eine Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation WHO am Freitagabend in Genf, könnten sofort für die Behandlung der Kranken genutzt werden. Im November werde man dann beginnen, medizinisches Personal mit zwei neuartigen Impfstoffen zu schützen, die bis dahin an Gesunden auf ihre Sicherheit geprüft werden müssten. Außerdem gibt es noch experimentelle Wirkstoffe, über die in den vergangenen Wochen viel spekuliert worden war - unter anderem ein Grippemittel. Diese stünden zwar "im Mittelpunkt klinischer Prüfungen in den betroffenen Ländern". Es gehe dabei aber zuerst darum, die Wirksamkeit an 100 bis 200 Patienten zu untersuchen.

Wer nicht das Glück hat, an einer dieser kleinen Testreihen teilzunehmen, dem bleibt nur die Behandlung mit Blut. Aber was heißt das? Aus Perspektive der Medizin ist das Verfahren einfach: Man benötigt grob gesprochen einen Patienten, der Ebola überlebt hat, einen Beutel für sein Blut und einen Kühlschrank, in dem dieser aufbewahrt werden kann. Nützlich ist ein kleines Labor, um das Material auf Blutgruppen und mögliche Infektionen zu testen.

Schonender für den Spender wäre die Verwendung von Blutplasma, also der Blutflüssigkeit ohne die Blutzellen. Es lässt sich durch eine Plasmapherese gewinnen, die während der Spende stattfindet. Das Blut läuft in ein spezielles Gerät, wird dort zentrifugiert und dadurch in Plasma und Zellen getrennt. Die Zellen bekommt der Spender sofort zurück, die Flüssigkeit mit den Antikörpern wird eingefroren. Das beschleunigt die Regeneration, der Freiwillige kann nach zwei statt sechs Wochen erneut spenden.

Was in einer deutschen oder amerikanischen Klinik auch für größere Patientenzahlen kein Problem ist, dürfte sich in Westafrika jedoch kaum umsetzen lassen. So sehen es auch Experten von Einrichtungen, die seit Monaten aktiv in den Ebola- Gebieten helfen. "Es herrscht Chaos da unten", sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Vor allem aber stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Verfahrens.

Wissenschaftlich dokumentiert wurden bislang nur die Versuche aus Kikwit. Und obwohl die Sterblichkeit in der kleinen Testreihe damals von 80 auf 12,5 Prozent sank, bezweifelte das Team kongolesischer Ärzte bereits in seiner Publikation von 1999, dass das Blut hier entscheidend war. "Wir wissen, dass für die transfundierten Patienten besser gesorgt wurde als für Patienten zu Beginn des Ausbruchs - unter anderem mit Glukoseinfusionen, Elektrolyten, Malariamitteln, Antibiotika und Vitaminpräraten", schreiben die Mediziner.

Ein anderes Forscherteam stellte damals fest, dass der Unterschied in der Sterblichkeit statistisch nicht signifikant sei, also vielleicht nur auf Zufall beruhe. Sie rieten, der Sache auf den Grund zu gehen - eine Position die auch die Ärzte aus Kikwit vertraten. Sie forderten damals, Blut als Behandlungsoption für Ebola erst einmal gründlich zu erforschen.

15 Jahre später - und sechs Monate nach Bestätigung des Ausbruchs in Westafrika - steht die Bewertung des Verfahrens aber immer noch aus. Die Sprecherin der WHO, Marie-Paule Kieny, sagte am Freitag trotzdem, das Blut der Überlebenden könne die Epidemie aufhalten. Nur wie jetzt mehrere tausend Ebolapatienten auf sichere und hygienische Weise mit je 400 Millilitern Blut von freiwilligen Spendern versorgt werden sollen, dazu äußerte sich die Sprecherin nicht.

Dabei erkranken jede Woche fast schon mehr Menschen an Ebola, als die Epidemie bislang überlebt haben. Jede Spende müsste gekühlt, einer Blutgruppe zugeordnet und mindestens auf den Aids-Erreger HIV und Hepatitis B getestet werden, bevor sie eingesetzt werden kann. Sierra Leone, Guinea und Liberia sind außerdem Malariagebiete. Auch diese Krankheit ist durch Bluttransfusionen übertragbar.

Schmidt-Chanasit glaubt nicht, dass der Aufwand in der aktuellen Lage überhaupt möglich ist. Er hält die Therapie per Transfusion ohnehin nicht für aussichtsreich: "Akute Virusinfektionen lassen sich grundsätzlich schlecht mit antikörperhaltigem Blut oder Serum behandeln." Es sei die grundlegende Versorgung, die jetzt zähle. Und die Infektionsketten müssen unterbrochen werden. Dafür werden Helfer benötigt, Material und Infrastruktur. Wie immer ist das eine Frage des Geldes. Die nötigen Millionen zu spenden wäre effektiver, als Menschen bluten zu lassen.

© SZ vom 09.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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