Malaria-Studie:Doppelt so viele Tote

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Die Malaria hat allein im Jahr 2010 mehr als 1,2 Millionen Menschen getötet, berichten US-Wissenschaftler. Ihre Zahlen liegen um das Doppelte höher als bisherige Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Studie wirft auch ein neues Licht auf die bisherige Lehrmeinung zu der Seuche.

Markus C. Schulte von Drach

Als wären die bisherigen Annahmen nicht schon schlimm genug: Die Malaria tötet weltweit offenbar doppelt so viele Menschen wie bisher angenommen. Wie US-Wissenschaftler berichten, forderte die Seuche allein 2010 1,2 Millionen Todesopfer. Dem " World Malaria Report" der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge lag die Zahl dagegen bei etwa 655.000 Toten.

Malaria fordert erheblich mehr Todesopfer als bislang angenommen. Und zwar nicht nur unter kleinen Kindern (Bild), sondern vor allem auch unter Jugendlichen und Erwachsenen. Das stellt eine medizinische Lehrmeinung in Frage. (Foto: AP)

Besonders auffällig ist, dass den Experten zufolge die Zahl der verstorbenen Kinder im Alter von über fünf Jahren und Erwachsenen bislang unterschätzt wurde. Zwar zeigen auch die neuen Berechnungen, dass die meisten Opfer afrikanische Kinder unter fünf Jahren sind. Mit etwa 700.000 Toten machten sie 2010 56 Prozent aller Malaria-Opfer weltweit aus.

Wie die Forscher um Christopher Murray von der University of Washington in Seattle im Fachmagazin Lancet berichten, lag der Anteil der Todesopfer über 15 Jahre bei mehr als einem Drittel. Und mit Ausnahme der Länder Afrikas südlich der Sahara lag der Anteil der erwachsenen Malariaopfer fast immer bei mehr als 40 Prozent.

Die WHO war dagegen von einem Anteil der bis zu Fünfjährigen weltweit von 86 Prozent ausgegangen. Und während eine frühere Studie ergeben hatte, dass 16 Prozent aller afrikanischen Kinder in diesem Alter im Jahre 2008 an Malaria gestorben waren, liegt der Anteil der neuen Untersuchung zufolge bei 24 Prozent. Und die Zahl der Opfer über fünf Jahre schätzen die US-Experten dort als achtmal höher als von der WHO angenommen.

Weltweit ist die Tendenz sinkend

Die Mediziner haben alle Daten zu Malariaopfern aus den Jahren 1980 bis 2010 gesammelt. Mit Hilfe neuer Computermodelle berechneten sie anhand dieser Zahlen, dass die Sterblichkeit unter den Patienten von einer Million im Jahre 1980 auf 1,8 Millionen Opfer 2004 gestiegen war. Erst danach war sie wieder gesunken.

Letzteres ist immerhin eine gute Nachricht. Überhaupt sinkt die Zahl der Todesfälle außerhalb von Afrika seit 1980 beständig. Und weltweit hat es "seit dem globalen Spitzenwert 2004 einen deutlichen Rückgang der Malaria-Todesfälle gegeben, der sich mit den schnellen, wenn auch unterschiedlichen Bekämpfungsmaßnahmen in Afrika südlich der Sahara erklären lässt", schreiben die Forscher. Dies deute darauf hin, dass die Investitionen von Organisationen wie dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM), die etwa seit 2004 gezielt vorgehen, "die Last der Malaria schnell erleichtert haben".

So wurden in den vergangenen Jahren Millionen Malaria-Patienten behandelt, mehr als 200 Millionen Moskitonetze wurden in Risikogebieten verteilt.

Die Hilfsfonds haben allerdings derzeit mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Auch Deutschland hatte die zweite Hälfte seines jährlichen 200-Millionen-Euro-Beitrags am Globalen Fonds für das Jahr 2011 erst im November des Jahres freigegeben, weil die Bundesregierung eine Reform der Organisation fordert. Für 2012 stehen erneut 200 Millionen Euro bereit - "wenn die beschlossenen Reformmaßnahmen mit aller Entschiedenheit umgesetzt werden", so Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP).

Selbst wenn der Rückgang der Todeszahlen weiter fortschreitet wie seit 2004, "wird die Malaria-Sterblichkeit erst nach 2020 auf weniger als 100.000 Tote sinken", schreiben die Forscher.

Die jetzt veröffentlichten Zahlen sind für die Mediziner auch deshalb wichtig, weil sie ein neues Licht auf die Entwicklung der Krankheit werfen. "Man lernt in der medizinischen Ausbildung, dass Menschen, die als Kinder mit der Malaria in Kontakt gekommen sind, Immunität entwickeln können und als Erwachsene nur noch selten an Malaria sterben", erklärte Murray. Die von ihnen untersuchten Daten "zeigen, dass das nicht stimmt".

Bislang handelt es sich sowohl bei den WHO-Zahlen als auch den Daten der US-Forscher allerdings um Schätzungen. "Wir haben einfach keine verlässlichen Daten zu den Malaria-Toten in einigen der am stärksten betroffenen Regionen der Welt", erklärte einer der Redakteure des Fachmagazins Lancet, Richard Horton, dem britischen Sender BBC. Das Neue an der aktuellen Studie, die übrigens von der Bill & Melinda Gates Foundation finanziert wurde, sei vor allem, dass zusätzliche Daten mit Hilfe eines neuen Rechenmodells ausgewertet wurden.

In einem Kommentar des Lancet wird den Wissenschaftlern nahegelegt, ihre Daten vollständig offenzulegen, damit andere Experten sie genau überprüfen können. Die Studie sollte aber auch Anlass sein, die Organisation einer neuen, unabhängigen Kommission zu überdenken, die die WHO im Kampf gegen die Malaria berät. Dieses Malaria Policy Advisory Committee (MPAC) sollte auf mehr Experten zurückgreifen als bislang, um die neuen Daten und ihre Bedeutung für die Malaria-Bekämpfungsprogramme zu prüfen. "Diese Chance sollte dringend und mit Optimismus ergriffen werden."

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