Vergriffene Sonderangebote:Ein Schnäppchen - leider schon ausverkauft

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Günstiges Smartphone, billiges Bier: Viele Händler locken Kunden mit Sonderangeboten in den Laden, doch oft ist die Ware schon nach Minuten weg. Am häufigsten ging das den Kunden von Netto und Lidl so, wie die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen herausgefunden hat. Doch sind solche Lockvogel-Angebote rechtlich zulässig? Und wie kann sich der Kunden wehren? Die wichtigsten Antworten.

Andreas Jalsovec

Bei Lidl im westfälischen Gronau war es die Coca-Cola: Das Sonderangebot war schon morgens um 9 Uhr ausverkauft. In der Netto-Filiale in Köln gab es bereits um 8.15 Uhr das günstige Katzenstreu nicht mehr. Bei Saturn in Berlin waren die Saeco Kaffeemaschinen zehn Minuten nach Filialöffnung weg. Und in der Aldi-Filiale in Lünen suchten Kunden ganz kurz nach Ladenöffnung vergeblich nach dem 16-Gigabyte-USB-Stick.

"Ich nenne das Vera... des Kunden", schimpft einer der Enttäuschten im "Lockvogel-Forum" der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Seit Mai 2007 sammeln die Verbraucherschützer auf der Internetseite Beschwerden von Kunden, die im Supermarkt, beim Discounter oder Elektrohändler eines der unzähligen Sonderangebote ergattern wollten - und leer ausgingen.

Jetzt hat die Verbraucherzentrale Bilanz gezogen. Ergebnis: Mehr als 5000 Mal beschwerten sich Kunden darüber, dass sie ohne Schnäppchen wieder abziehen mussten. Oft waren die meist großflächig beworbenen Produkte schon am ersten Tag weg - und auch in anderen Filialen nicht mehr zu haben. "Häufig ist die Ware sogar innerhalb der ersten fünf bis zehn Minuten nach Ladenöffnung ausverkauft", berichtet Iwona Husemann, Juristin bei der Verbraucherzentrale. Bestimmte Produkte, so schlussfolgern die Verbraucherschützer daher, würden gezielt verknappt: "Wenn Artikel am Tag ihrer Bewerbung konzernweit nicht mehr vorrätig sind, liegt der Schluss nahe, dass es sich um Lockvogelwerbung handelt."

Die Angebote sollen demnach die Kunden vor allem ins Geschäft locken - in der Hoffnung, sie kaufen andere als die beworbenen Produkte. Das ist laut Wettbewerbsrecht verboten, aber auch schwer nachzuweisen.

Die Hitliste der Beschwerden

Die häufigsten Lockvogel-Beschwerden gab es beim Discounter Netto. Fast 600 Mal suchten Verbraucher bei der Edeka-Tochter vergeblich nach den in der Werbung angepriesenen günstigen Pils-Sorten, Kirschen, Moskitonetzen oder Küchenhobel (Grafik). Das sind mehr als zwei Klagen über Scheinschnäppchen pro Woche. Ähnlich oft ärgerten sich Kunden von Lidl darüber, dass das versprochene Angebot schon ausverkauft war. Insgesamt finden sich im Lockvogel-Forum Beschwerden zu mehr als 500 Firmen, vom Getränkehändler über den Kaffeeröster, das Möbelhaus und die Tankstelle bis zum Baumarkt.

Die Firmen rechtfertigen den reihenweisen Reinfall bei den Angeboten vor allem mit unerwartet hohem Kundeninteresse. Mitunter könne es dann "zu einem frühzeitigen Abverkauf kommen", heißt es etwa beim Discounter Lidl. Und Konkurrent Netto teilt mit, die Bestellmengen beruhten zwar auf Erfahrungswerten. "Bei überdurchschnittlich großer Nachfrage kann ein beworbener Artikel allerdings nach kurzer Zeit ausverkauft sein." Das sei dann aber auch in den Handzetteln für die Kunden vermerkt.

Die rechtliche Lage

Tatsächlich trifft den Anbieter keine Schuld, wenn der Andrang für ein Produkte unvorhersehbar groß ist. Grundsätzlich gilt aber: Bewirbt ein Händler eine Ware als Sonderangebot, muss der Kunde davon ausgehen können, dass sie "angemessen" lange vorrätig ist. "Angemessen heißt dabei in der Regel zwei Tage", sagt Verbraucherschützerin Husemann. Bei verderblicher Ware kann es auch nur ein Tag sein. Gelegentlich haben Gerichte auch schon drei oder mehr Tage verlangt.

Ist die Menge nicht angemessen, hat das Geschäft ein Lockvogelangebot gemacht. Es kann dann wegen "Irreführung" belangt werden. Ob das der Fall ist, hängt unter anderem davon ab, wie stark das Produkt beworben wird - und welche Erwartungen damit bei Verbrauchern geweckt werden. "Bei einer großen, überregionalen Werbeaktion müssen Händler auch mit großem Andrang rechnen und den Vorrat entsprechend planen", meint Verbraucherschützerin Husemann. Ist von vorneherein klar, dass das Angebot begrenzt ist, müssen Händler das in der Werbung deutlich machen - etwa mit Begriffen wie "Restposten" oder "Einzelstücke". Der Hinweis "Solange Vorrat reicht" gilt nur in Ausnahmefällen als Ausrede.

Die Folgen eines Verstoßes

Wirbt ein Händler irreführend, können ihn die Konkurrenten oder die Verbraucherzentrale abmahnen. Er muss sich dann bereit erklären, die Lockvogelwerbung für das betreffende Produkt zu unterlassen. Tut er das nicht, muss er mit einer Klage auf Unterlassung rechnen. Ist sie erfolgreich, zahlt der Händler bei Zuwiderhandeln ein Ordnungsgeld. Die Unterlassung gilt aber nur für eine Warengruppe - etwa Handys. Bewirbt er sie weiter als Lockvogel, muss er zahlen. Für das irreführende Anpreisen einer Waschmaschine gilt das aber nicht.

Die Möglichkeiten der Kunden

Selbst wenn der Vorrat an günstigen Smartphones oder Flachbildschirmen zu knapp war: Sind sie ausverkauft, haben Verbraucher kein Anrecht mehr darauf, die Ware doch noch zu bekommen - etwa per Nachlieferung. Dasselbe gilt für Produkte, die zu reduziertem Preis beworben wurden, aber nach Ablauf der Geltungsdauer für die Werbung wieder teuer im Regal stehen. "Kunden haben dann kein Recht auf den Sonderpreis aus der Werbung", erläutert Iwona Husemann. Sie rät Verbrauchern, den Händler darauf anzusprechen. "Manchmal bekommen die Filialen noch Ware nachgeliefert." Falls nicht, können verärgerte Verbraucher in jedem Fall ihre Beschwere im Lockvogel-Forum loswerden: www.vz-nrw/lockvogel.

© SZ vom 19.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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