Verbraucherschutz:Rendite kann gefährlich sein

Blütendach vor der Börse in Frankfurt/Main

Blick auf die Frankfurter Börse: Aktienkäufer haben viele Rechte, jetzt hilft die Politik auch Kleinanlegern.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Der Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet, das Kleinanleger vor Verlusten bewahren soll. Verbraucherschützer loben den Schritt, warnen aber vor Ausnahmen.

Von Pia Ratzesberger

Die Werbung verspricht Großes, das ist ihre Aufgabe. Das Beste, das Gesündeste, das Billigste: Wer durch den Supermarkt geht, dem ist meistens klar, dass der Schoko-Müsliriegel vielleicht doch nicht so fit macht, wie auf der Verpackung angegeben. Doch man hofft - und kauft. Bei einem Riegel mag das verkraftbar sein, bei der Geldanlage wird es problematisch. Denn gerade auf dem grauen Kapitalmarkt verspricht die Werbung gerne hohe Renditen und blendet das Risiko der Investitionen aus. Dieser Teil der Finanzindustrie untersteht nicht den Aufsichtsbehörden, die sich um Banken und Versicherungen kümmern. Deshalb zieht dieses Segment auch viele unseriöse Anbieter an. Das Kleinanlegerschutzgesetz soll künftig Verbrauchern helfen besser einzuschätzen, wie riskant die jeweilige Geldanlage ist. Der Bundestag hat das Gesetz an diesem Donnerstag verabschiedet.

Antworten zu den wichtigsten Fragen.

Warum gibt es die Reform?

Anlass ist die Pleite des Windkraftfinanzierers Prokon. Der hatte seine Anleger mit jährlichen Renditen von sechs bis acht Prozent gelockt und immer wieder versichert, die Genussscheine seien eine alternative Geldanlage. 75 000 private Anleger liehen dem Windanlagenplaner ihr Erspartes, insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr meldete das Unternehmen Insolvenz an. Die Anleger verloren bis zu 70 Prozent ihres eingesetzten Kapitals.

Was ändert sich jetzt?

Damit Anleger vor Verlusten wie bei Prokon künftig besser geschützt sind, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in Zukunft ein Mandat und damit mehr Macht beim sogenannten kollektiven Verbraucherschutz. Die Bafin kann künftig gegen Unternehmen vorgehen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie Anleger schädigen und gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen. Sie kann den Verkauf einzelner Anlagemöglichkeiten beschränken oder sogar verbieten.

Wird aufdringliche Werbung verboten? Nein. Ursprünglich war einmal geplant, die Werbung für den grauen Kapitalmarkt stark zu beschränken. Plakate an Bushaltestellen oder Litfaßsäulen sollte es nicht mehr geben, ihre Anzeigen hätten die Anbieter nur noch in "wirtschaftsnahen" Medien veröffentlichen dürfen. Diese geplanten Regelungen wurden aber wieder gestrichen. Werbung wird stattdessen künftig mit Warnhinweisen versehen - ähnlich wie bei Zigarettenschachteln. Die Hinweise machen darauf aufmerksam, dass der Kauf der Anlage mit erheblichen Risiken verbunden ist und zum Vermögensverlust führen kann.

Werden Anleger besser informiert?

Das wird zumindest versucht. Denn es gibt nun eine Pflicht, zu allen Vermögensanlagen einen Verkaufsprospekt herauszugeben. Also einen Katalog, der umfassend über Renditeaussichten und Risiken informiert - sowie über das eigene Unternehmen und die Geschäftsaussichten. Der Prospekt wird von der Bafin vor der Veröffentlichung auf Plausibilität und Widersprüche geprüft. Der Anbieter muss ihn jährlich aktualisieren und auf seiner Internetseite sowie im Bundesanzeiger veröffentlichen.

Gibt es Ausnahmen?

Ja. Die wohl wichtigste betrifft Firmen, die sich über Crowdfunding finanzieren, ihr Kapital also über entsprechende Plattformen im Internet einsammeln. Diese Unternehmen sind unter bestimmten Voraussetzungen von der Prospektpflicht befreit. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel der Verkaufspreis sämtlicher angebotener Vermögensanlagen nicht mehr als 2,5 Millionen Euro beträgt. Ursprünglich lag die Grenze bei einer Million Euro, wurde aber zugunsten der schwarmfinanzierten Unternehmen noch einmal erhöht. Firmen sind auch von der Pflicht ausgenommen, wenn die Anleger jeweils nicht mehr als 1000 Euro investieren. In Ausnahmefällen können es auch 10 000 Euro sein. Dann muss die Privatperson aber mit einer Selbstauskunft bestätigen, dass sie genügend Geld hat, weil sie entweder ein frei verfügbares Einkommen von mehr als 100 000 Euro besitzt oder weil das Investment den zweifachen Betrag ihres durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens nicht übersteigt. Außerdem sind gemeinnützige Projekte von der Prospektpflicht befreit, wenn sie die Schwelle von 2,5 Millionen Euro unterschreiten und provisionsfrei vertrieben werden. Zudem ist bei ihnen der Zins, den sie zahlen dürfen, auf 1,5 Prozent begrenzt.

Bei den Ausnahmen bekommen die Verbraucher also keinerlei Informationen?

Doch, wenn auch weniger: Ein so genanntes Vermögensanlageinformationsblatt gibt es nämlich immer, auch bei den Anlagen ohne Prospekt. Weil Verbraucher dadurch im Zweifelsfall aber schlechter informiert sind, haben sie hier ein 14-tägiges Widerrufsrecht.

Was sagen Verbraucherschützer?

Sie loben das Bestreben nach mehr Kleinanlegerschutz, raten Privatleuten ohne vertiefte Finanzkenntnisse aber grundsätzlich vom grauen Kapitalmarkt ab. Das Verlustrisiko sei zu hoch. "Die Ausnahmen beim Crowdfunding gehen für uns außerdem zu weit. Sie werden dazu führen, dass es keinerlei Prospekte in diesem Bereich geben wird", sagt Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Auch dass Werbung erlaubt bleibt, findet sie nicht gut. Raucher wissen: So ein Warnhinweis ist schnell überlesen.

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