Umschuldung Griechenlands:Dogma aufgeben, Europa retten

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Die Europäische Zentralbank hat keine Wahl: Sie muss sich zu einer Umschuldung Athens durchringen, um das ganze große Friedensprojekt des Euro nicht zu gefährden.

Marc Beise

Eine unabhängige Notenbank ist Gold wert. Erstens buchstäblich, weil sie Edelmetall im Wert von vielen Milliarden Euro als Reserve hält. Und zweitens im übertragenen Sinn, weil die Notenbank der Garant für eine funktionsfähige Wirtschaft ist. Die Deutschen wissen das aus der guten alten Zeit der D-Mark-Bundesbank zu schätzen, und sie erhoffen sich Gleiches von der Europäischen Zentralbank (EZB), die nach diesem Vorbild geschmiedet worden war.

Griechische Demonstranten protestieren mit Töpfen und Pfannen in Athen gegen die Sparpläne der Regierung: Viel Zeit ist nicht mehr. (Foto: dpa)

Die Notenbank steht für das Wohl aller. Unbestechlich, überparteilich, uneitel. Politik dagegen ist stimmen- und stimmungsabhängig. Politiker stehen zur Wiederwahl, und sie müssen Koalitionen bilden. Hier die verführbare und verführende Politik, dort die unabhängige Notenbank - das hat lange Zeit gut funktioniert, auch in den ersten Jahren des Euro.

In der Euro-Krise aber wankt die EZB. Sie hat Staatsanleihen der hoch verschuldeten Länder gekauft und damit ihre Unabhängigkeit beschädigt; sie ist Partei geworden. Wenn es darum geht, Schuldnern weh zu tun, um das große Ganze zu retten, haben die Notenbanker angesichts der eigenen Bestände den Kopf nicht mehr frei.

Der Anleihen-Kauf ist viel kritisiert worden, der Bundesbank-Präsident Axel Weber hat darüber seine Karriere weggeworfen. Sein Nachfolger, der junge Jens Weidmann, zuvor Abteilungsleiter bei Kanzlerin Angela Merkel, stand von Anfang an unter Beobachtung, ob er sich in die Tradition der unabhängigen, stabilitätsorientierten Bundesbanker einreihen kann.

Weidmanns erste Schritte im neuen Amt lassen noch kein endgültiges Urteil zu. Er kündigt zwar einen Ausstieg aus dem Staatsanleihen-Programm an, rechtfertigt es aber historisch. Er verteidigt die gewaltigen Kreditvergaben auch der Bundesbank an die kritischen Staaten, bemüht sich aber hinter den Kulissen zugleich um die Euro-Kritiker, die die Bundesbank genau dafür kritisieren.

Selbst beim Thema "Umschuldung von Griechenland" kann man bei Weidmann Zwischentöne heraushören. Das ist immerhin mehr als bei Kollegen, die sich beinahe panisch gegen jede Bankrott-Überlegung stemmen und die Krise mit immer mehr Geld unter Kontrolle halten wollen. Auch nach der Lehman-Pleite wurde argumentiert, dass man keine (weitere) Bank pleite gehen lassen könne; man wird nie erfahren, ob das voreilig war.

So oder so ist die Lage heute eine andere, es gibt viele Erfahrungen und neue Regeln. Vor allem gibt es Notwendigkeiten, die man nicht mit dem Hinweis: "Das ist Sache der Regierungen" wegdiskutieren kann. Wer immer noch behauptet, dass Griechenland sich durch Sparen, Verkaufen und Umstrukturieren retten kann, macht sich unglaubwürdig. Die Griechen können guten Willen zeigen, aber sie werden niemals allein aus der Verschuldensspirale herauskommen. Deshalb werden Gläubiger auf Geld verzichten müssen.

Die Umschuldung braucht es auch aus Gründen der Akzeptanz. Die Politik kann nicht auf Dauer gegen das Volk regieren. Die Bürger, die als Steuerzahler für die öffentlichen Risiken haften, fordern die Beteiligung der privaten Gläubiger, der Banken und Investoren. Politiker nehmen das wahr und verändern langsam ihre Position. Die EZB aber hält knallhart dagegen, ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist ein schwerer Fehler.

Die Notenbank ist unabhängig, aber sie muss auch realistisch sein. Sie hat bisher fast alle Kämpfe gegen die Politik gewonnen, und das war gut so. Jetzt muss sie den Kampf gegen sich selbst gewinnen. Die Umschuldung Griechenlands muss kommen, und damit sie einigermaßen sanft wird und beherrschbar, hat die EZB die Führung zu übernehmen, dringend. Wenn die Notenbanker sich dem verweigern, vielleicht sogar mit Blick auf die offenen Forderungen in ihrer eigenen Bilanz, gefährden sie das ganze große Friedensprojekt des Euro. Viel Zeit ist nicht mehr.

© SZ vom 27.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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