UBS-Händler verzockt Milliarden:Gier schlägt Gewissen

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Was wollten die Banken nicht alles ändern: sicherer werden, verlässlicher arbeiten und den blinden Investments abschwören. Doch der neue Milliarden-Skandal bei der Schweizer UBS beweist, dass den Ankündigungen der Geldhäuser nicht zu trauen ist.

Alexander Hagelüken

Vor gut drei Jahren flog auf, dass ein Händler einer französischen Großbank fünf Milliarden Euro verspekuliert hatte. Wahnsinn, dachten Menschen in aller Welt, was für eine Summe. Banken in aller Welt beeilten sich zu betonen, dass der Fall des Händlers Jerôme Kerviel bei ihnen nicht vorkommen könne - oder sie jedenfalls die Kontrollmechanismen so ändern würden, dass er nicht mehr vorkommen kann. Und jetzt? Meldet die Schweizer Großbank, dass ein Händler etwa 1,5 Milliarden Euro verzockt hat. Angeblich an allen Kontrollen vorbei.

Es lohnt sich, einen Moment innezuhalten und die Summe mit neun Nullen zu betrachten, um die es hier geht. Der Verlust wird nicht nur einen guten Teil des UBS-Jahresgewinns aufzehren. Wenn der deutsche Staat diesen Betrag zur Verfügung hätte, könnte er damit 28 000 neue Lehrer finanzieren - oder jeden dritten Lehrer in Bayern. Das zeigt: Geldhäuser auf dem ganzen Globus jonglieren inzwischen mit apokalyptischen Summen, die der Lebenswelt der meisten Menschen völlig enteilt sind. Die Menschen fühlen sich Finanzmärkten ausgeliefert, deren Mechanismen sie nicht verstehen - und kaum verstehen können. Das gilt nicht nur für normale Bürger. Im Prozess gegen Jerôme Kerviel benötigte das Gericht eine geschlagene Woche alleine dafür, die Grundbegriffe der Aktienhandeleien des Angeklagten ansatzweise zu durchdringen.

Der neue Fall UBS beweist, dass den Ankündigungen der Banken nicht zu trauen ist. Offenbar ist das Risikomanagement zumindest dieses Geldhauses trotz Handelsskandalen und Finanzkrise schlecht geblieben. Dabei ist die Schweizer Großbank keine dubiose Klitsche, sondern galt einst als Symbol der Solidität. Bis sie in der Finanzkrise fast pleite ging und vom Steuerzahler gerettet wurde. Man könnte denken, dass eine Bank nach einer solchen Grenzerfahrung für ausreichende Kontrollen sorgen würde. Hat sie aber nicht. Dass der Milliardenverlust ausgerechnet im Investmentbanking auftaucht, auf das die Bank traditionell setzt, spricht für sich.

Trotz aller Beteuerungen der Geldmanager gelten wohl noch die Grundsätze von eh und je: Solange ein Händler Gewinne macht, schauen die Vorgesetzten lieber nicht so genau hin. Wer wird denn den Star belästigen, der die Boni der ganzen Abteilung hochtreibt? Gewinn schlägt Gewissen. Oder in der wohlwollenden Variante: Gewinn schlägt Kontrollwunsch.

Die UBS sagt zu dem aktuellen Fall so wenig, dass sie den Imageschaden wegen der Affäre durch einen Imageschaden wegen Informationsverweigerung verdoppelt. Auffällig ist, wie sehr die Bank betont, es handle sich um "nicht genehmigte" Geschäfte ihres mittlerweile inhaftierten Mitarbeiters. Das soll wohl heißen, der Mann habe auf eigene Faust gehandelt, ohne dass jemand davon etwas wissen konnte. Das stimmt entweder nicht - oder das Kontrollsystem der Bank ist peinlich lückenhaft.

Nach der größten Finanzkrise seit acht Dekaden gelobten die Politiker des Westens, die Gefahren durch unkontrollierte Bankgeschäfte einzudämmen. Passiert ist manches, aber zu wenig. Ironisch genug, dass UBS-Chef Oswald Grübel kritisiert hat, ihm würden durch zu scharfe Gesetze zu viele Steine in den Weg gelegt. Ironisch auch, dass sich das Schweizer Parlament ausgerechnet am Donnerstag laut Tagesordnung mit dem Problem zu großer Banken (wie der UBS) beschäftigte, die Volkswirtschaften zum Kippen bringen können. Nein, nach der Finanzkrise sind die Gesetze für die Banken nicht zu scharf, sondern offensichtlich noch zu lax.

© SZ vom 16.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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